Ein Gespräch mit Christian Arndt. Über evangelische Militärseelsorge, die Heimlichtuerei um deren Entstehung nach 1945 und die Absegnung von Kriegseinsätzen
Interview: Kristian Stemmler Aus JUNGE WELT, 15.04.2017, Wochenendbeilage
Christian Arndt … arbeitete als Pastor in Harburg und im Hamburger Schanzenviertel; jetzt ist er im Ruhestand. Der heute 73jährige unterstützte die Hausbesetzerszene, etwa in der Hafenstraße, ist seit Anfang der 90er in der Kurdistan-Solidarität aktiv und im Vorstand von Freiraum Hamburg e.V., Verein für akzeptierende Drogenarbeit
Lang ist’s her. Sie gehörten zu den Pastoren der evangelischen Kirche, die bei der ersten großen Demonstration gegen den Bau des Atomkraftwerks Brokdorf im November 1976 im Talar mitmarschierten.
Stimmt, es gibt da ein berühmtes Foto von Kollegen und mir. Wir feierten im Talar mit Demonstrierenden einen Gottesdienst des Widerstands vor dem Bauplatz. Das gab einen Aufschrei. »Pastoren schuld am Sturm auf Brokdorf«, »Demagogen im Priestergewand«, titelten Zeitungen aus dem Hause Springer. Und nicht nur das, der Staatsschutz ermittelte. Als Kollegen und ich in Brokdorf festgenommen worden waren und wir gefesselt in einer »Polizeiwanne« saßen, stieg ein Mann im Lodenmantel ein und setzte sich nach hinten. »Wer sind Sie denn?« habe ich ihn gefragt. Antwort: »Ich bin der Polizeiseelsorger.« Die Kirchenleitungen grollten heftig, führten »brüderliche« Disziplinierungsgespräche, allerdings ohne Erfolg.
Es gab also schon damals Pastoren auf beiden Seiten, für und gegen die Obrigkeit. Wenn Sie sagen, die Disziplinierungsgespräche seien erfolglos gewesen: Sie engagierten sich weiter?
Da wir der Ansicht waren, dass die zivile Nutzung der Atomenergie nicht von der militärischen zu trennen ist, mischten wir uns auch in die Debatte um die Nachrüstung mit Atomraketen ein. 1984 veröffentlichten wir – etwa 25 Pastoren – einen Aufruf zur Verweigerung aller Kriegsdienste. Das war der kirchlichen Obrigkeit dann doch zu viel. Man leitete ein Amtszuchtverfahren – so hieß das – gegen uns ein, in dem festgestellt wurde, dass der Aufruf »auf Agitation hinausläuft, die Einheit der Kirche belastet, mit Ihrem pastoralen Auftrag nicht vereinbar ist«. Die Solidarität von außen wie auch innerhalb der Kirche, in der heftig und öffentlich gestritten wurde, war für uns damals Rückendeckung.
Heftiger politischer Streit in der Kirche ist heute kaum vorstellbar, genauso wenig, dass Geistliche im Talar bei einer Demo mitlaufen. Mir kommt es so vor, als wäre die Institution von Jahrzehnt zu Jahrzehnt unpolitischer geworden. Sie schweigt – ob es um die Demütigung der Menschen in den Jobcentern geht, um die faktische Abschaffung des Asylrechts oder aktuell um den G-20-Gipfel in Hamburg. Gibt es überhaupt noch linke Pastoren?
Es gibt schon Menschen und Einrichtungen in der Kirche, die sich engagiert um Opfer des neoliberalen Systems sorgen und sich für sie einsetzen, aber eben nur um diese in ihrem Opfersein. Dabei bleibt es meist. Die strukturellen Ursachen von Armut, Hunger, Flucht, Umweltzerstörung und Kriegen und die dahinter stehenden Interessen werden nicht benannt und mit den Betroffenen zusammen bekämpft – das wäre für mich »links«. In diesem Sinne ist die Kirche eigentlich nicht unpolitisch, sondern eminent politisch: weil sie systemstabilisierend wirkt. Stellungnahmen des leitenden Personals unterscheiden sich oft nicht von denen der politischen Elite.
Zum Beispiel?
Im Sommer 2016 wurde das Weißbuch der Bundeswehr veröffentlicht. Der Friedensbeauftragte des Rates der EKD, der Evangelischen Kirche in Deutschland, Renke Brahms, und Militärbischof Sigurd Rink verfassten eine gemeinsame Bewertung mit kritischen Anmerkungen. Aber dass die Bundeswehr in Fortschreibung der Verteidigungspolitischen Richtlinien 1992 zur Abschottung Europas gegen Flüchtlinge eingesetzt wird, zur Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung und der Absatzmärkte – kurz: zur Durchsetzung deutscher Kapitalinteressen –, das ist ihnen keine Zeile der Missbiligung wert. Das, was allen christlichen Werten widerspricht, wird hier einfach akzeptiert.
Sie haben sich eingehend mit der Rolle der evangelischen Militärseelsorge befasst, die durch die Unterstützung für deutsche Auslandseinsätze ein krasses Beispiel für die Staatsnähe der Kirche darstellt. Ich frag’ mal ganz direkt: Warum muss es überhaupt Militärgeistliche geben?
Im Staatsinteresse – und dem fühlen sich das kirchenleitende Personal und die weit überwiegende Mehrheit der Pastoren in den lutherischen Kirchen verpflichtet. Nicht erst der IS missbraucht den Glauben. Adolf Hitler beschrieb die Funktion der Geistlichkeit im Krieg mit Blick auf seine Erfahrungen im Ersten Weltkrieg so: »Ob protestantischer Pastor oder katholischer Pfarrer, sie tragen beide gemeinsam im Kriege unendlich bei zum so langen Erhalten unserer Widerstandskraft.«
Der Segen der Kirchen stärkt also die Moral der Truppe, was wenig überrascht. Eher unbekannt ist aber, unter welch klandestinen Bedingungen die Militärseelsorge nach 1945 auf dem BRD-Gebiet neu gegründet wurde.
Es war ein damals verschwiegener und ist heute ein beschwiegener Vorgang. Ich musste bei den Recherchen zum Thema immer wieder Pausen machen, weil ich mich so aufgeregt habe. Zum Verständnis muss man wissen, dass führende Geistliche, die Parteigänger der Nazis waren, nach Kriegsende ganz unverfroren in der evangelischen Kirche das Ruder in die Hand nahmen.
Von welchen Leuten sprechen Sie?
Aus der großen Menge nenne ich mal Hanns Lilje, Otto Dibelius und Hermann Kunst.
Die Namen sagen nicht jedem etwas.
Was man über alle drei sagen kann: Sie waren Antidemokraten, geprägt vom Staatskirchentum, vom Antisemitismus, vom Kampf gegen die Arbeiterbewegung. In der NSDAP fanden sie einen Bündnispartner. Dennoch gelten sie bis heute als »bedeutende Persönlichkeiten des Protestantismus im 20. Jahrhundert«, was einer Verhöhnung aller Opfer des Faschismus gleichkommt.
Lilje ist für viele in der Kirche bis heute einer, der den Nazis die Stirn geboten hat.
Ja, aber das ist kompletter Unsinn! Er hat die Machtübergabe von 1933 begrüßt. 1941 brachte er die Schrift »Der Krieg als geistige Leistung« heraus und schrieb darin: »Es muss nicht nur auf den Koppelschlössern der Soldaten, sondern in Herz und Gewissen stehen: Mit Gott! Nur im Namen Gottes kann man dies Opfer legitimieren.«
Starker Tobak! Und wie kam der Mythos auf, er hätte Widerstand geleistet?
Gegen Ende des Krieges saß er kurz in Gestapo-Haft, weil er Kontakt zu dem Kreis um die Attentäter des 20. Juli gehabt hatte. Dabei hatte er nach späteren Recherchen sowohl jede Mitwirkung als auch jede Hilfe für sie abgelehnt. Das war wohl mehr ein Familienstreit.
Und Otto Dibelius war vom selben Kaliber?
Der war eher noch fanatischer. Als Generalsuperintendent der Kurmark in Preußen organisierte er am 21. März 1933 den »Tag von Potsdam«. Er hielt an diesem Tag nicht nur die Festpredigt, sondern dirigierte im Hintergrund das Nazispektakel, den historischen Händedruck zwischen Hitler und Hindenburg in der Garnisonkirche. Wenige Wochen später schrieb er: »Ich habe mich trotz des bösen Klanges, den das Wort vielfach angenommen hat, immer als Antisemiten gewusst. Man kann nicht verkennen, dass bei allen zersetzenden Erscheinungen der modernen Zivilisation das Judentum eine führende Rolle spielt«.
Dibelius zog sich aber doch zurück und engagierte sich in der Bekennenden Kirche.
Er bekam Probleme, als er sich in der Bekennenden Kirche (eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche in der Zeit des Faschismus; jW) gegen den Einfluss der von Nazis gesteuerten Organisation »Deutsche Christen« wehrte. Bis heute glauben viele, die Bekennende Kirche sei ein Hort des Widerstands gewesen, das ist aber falsch. Sie waren gegen die »Deutschen Christen«, aber mehrheitlich nicht gegen Hitler. Nur eine winzige Minderheit versuchte, dem Faschismus zu widerstehen. Nach dem Krieg war Dibelius – wie andere Kirchenführer auch – kämpferischer Lobbyist der Nazikriegsverbrecher und bezeichnete die Nürnberger Prozesse als »haarsträubende Vergeltung der Sieger«.
Und Hermann Kunst?
In der Herforder Stadtchronik ist zu lesen, dass er 1935 mit folgenden Worten Rekruten vereidigte: »Ihr seid bis an euer Lebensende keine Privatpersonen, sondern eine dem Führer des Volkes verschworene Kampfgemeinschaft. Keine Überlegung, kein Reiferwerden entbindet euch von dem Eid. Das sage ich euch nicht als irgendeine Meinung, das sage ich euch als ein berufener Diener am Wort.«
Und nach 1945?
1960 übergab Kunst im Auftrag des Rates der EKD der Bundesregierung den Brief eines Linzer Superintendenten, in dem dieser Eichmann, den Organisator des Holocaust, als »grundanständig«, mit »gütigem Herz« und »großer Hilfsbereitschaft« beschrieb. Kunst bemerkte: Das sei »mindestens interessant«! All das kein Hindernis für ihn, Mitte der 50er Jahre das Amt des Militärbischofs zu übernehmen.
Wie Sie recherchiert haben, waren diese drei, Lilje, Dibelius und Kunst, in den 50ern an der Reorganisation der Militärseelsorge maßgeblich beteiligt.
Ja, ab 1951 wurde alles in geheimen Gesprächen mit Politikern und Militärs ausgemauschelt – ein Vertrag ohne Kündigungsmöglichkeiten.
Wieso die Heimlichtuerei?
Weil in es in der Bevölkerung wie auch in der evangelischen Kirche heftigen Widerstand gegen eine Remilitarisierung gab. Die damals gesamtdeutsche Synode hatte den Rat der EKD aufgefordert, in Sachen Militärseelsorge keine Entscheidung ohne ihre Zustimmung zu treffen. Kaum war das ausgesprochen, wurde Kunst heimlich zum Militärbischof befördert und Monate später ebenso heimlich der Vertrag von Dibelius und dem Präsidenten der EKD-Kirchenkanzlei, Heinz Brunotte, auf der einen und Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß auf der anderen Seite unterschrieben. Die Synode stimmte ihm später zu.
Über diese Vorgänge wird heute in der evangelischen Kirche vermutlich ungern geredet.
Sie werden totgeschwiegen! Rink, übrigens der erste hauptamtliche Militärbischof, sagte vor kurzem in einem Interview zum 60. Jubiläum der Militärseelsorge, es habe bei ihrer Wiederaufstellung Konflikte gegeben, aber er wisse wenig Details. Für mich ist das eine Schutzbehauptung eines promovierten Zeithistorikers. Er weiß sicherlich, dass die genannten »Gründerväter« der Militärseelsorge einem verbrecherischen Regime zu Diensten, also auch Verbrecher waren.
Man darf doch annehmen, dass über Lilje, Dibelius und Kunst, auch nichts Negatives veröffentlicht wird.
Allerdings. Da war und ist heute noch Weißwaschen angesagt, was einer Verhöhnung aller Opfer des Faschismus gleichkommt. In Hamburg residiert ein Militärpfarramt im Bischof-Hermann-Kunst-Haus, in Hannover gibt es einen Hanns-Lilje-Platz, ein Hanns-Lilje-Haus, in Berlin eine Otto-Dibelius-Straße. Dibelius ist seit 1958 auch Ehrenbürger Berlins.
Nach der sogenannten Wiedervereinigung ist den Kirchen der DDR das bundesdeutsche Seelsorgesystem aufgezwungen worden.
Richtig. Kohl hat gesagt, der Militärseelsorgevertrag wird nicht geändert, basta! Das war den Westdeutschen sicherlich ganz lieb. Und so kam es.
Ich fasse zusammen: In der evangelischen Kirche gab es nach 1945 eine unselige Kontinuität, die bis heute nicht thematisiert wird – und die Militärseelsorge wurde von Bischöfen neu gegründet, die glühende Anhänger der Nazis gewesen waren. Es erscheint mir jetzt plausibler, dass die evangelische Kirche die Auslandseinsätze der Bundeswehr heute anstandslos mitträgt.
Ich kann mich an keinen Krieg in der deutschen Geschichte erinnern, bei dem die Kirchen nicht mit dabei waren. Aber die EKD und der schon erwähnte Rink würden Ihnen da vorhalten: Heute ist es etwas ganz anderes. Die Bundesrepublik sei ja ein Rechtsstaat, und jetzt verteidige die Bundeswehr »westliche Werte«, also Freiheit und Demokratie, die Menschenrechte und so weiter.
Und mit diesem Argument trägt die EKD sämtliche deutschen Kriegseinsätze mit, von Mali bis zum Hindukusch?
Ja, es wird alles abgesegnet. Zum Beispiel die Beteiligung deutscher Soldaten am völkerrechtswidrigen US- und NATO-Krieg »Enduring Freedom« in Afghanistan 2001. Der UN-Flüchtlingskommissar forderte damals den Stopp der Bombardierungen, um vor Wintereinbruch die geflüchteten Menschen zu versorgen. Die VELKD – das ist die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands, ein Zusammenschluss von sieben Landeskirchen – erklärte, sie könne einem Ende der Bombadierungen nicht das Wort reden. Den Beschluss hat übrigens Bischöfin Margot Käßmann mitgetragen, die später lamentierte, es wäre nicht alles gut in Afghanistan. Die Evangelische Nachrichtenagentur IDEA meldete im Mai 2010, wenige Monate nach dem von einem deutschen Offizier zu verantwortenden Massaker bei Kundus: »Der Einsatz militärischer Gewalt in Afghanistan nach Ansicht des nordelbischen Bischofs Gerhard Ulrich (Schleswig) weiterhin ethisch legitim.« Heute ist Ulrich Landesbischof der Nordkirche. Die Liste ist lang.
Den Dammbruch gab es aber doch schon im Kosovo-Krieg 1999. Ich erinnere mich daran, wie enthusiastisch protestantische Amtsträger die Teilnahme der Bundeswehr am Überfall auf Serbien begrüßten.
Die Kirchen standen voll hinter der deutschen Beteiligung. Im »Wort zum Sonntag« wurden die Propagandalügen der Bundesregierung wiedergekäut. Dass der Angriff völkerrechtswidrig war, war kein Thema. Die politisch Verantwortlichen wie Gerhard Schröder, Joseph Fischer, Anthony Blair laufen immer noch frei herum. Auch hier gilt, wer Verbrechen gegen das Völkerrecht unterstützt, ist auch ein Verbrecher.
Aber die Bischöfe wissen doch sehr genau, dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr ganz anderen, geostrategischen Zielen dienen. Da gibt es ja nun genug Äußerungen von Politikern, von Horst Köhler, Joachim Gauck, Ursula von der Leyen, Frank-Walter Steinmeier und anderen.
Natürlich wissen sie das, aber sie kritisieren es dennoch nicht – sie sind staats- und systemtragend. Im Grunde steht eine Raubtheologie dahinter. Wir dürfen andere Länder überfallen, um unseren Lebensstandard zu halten. Armut und Hunger auf der Welt werden in Kauf genommen. Die Kirchen sind Teil des militärisch-ideologischen Komplexes, agieren oft wie eine PR-Abteilung der Bundesregierung.
Der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm besuchte im August 2016 den Tender »Werra« der Bundesmarine, der im Mittelmeer an der »Operation Sophia« teilnahm. Er dankte der Besatzung, dass sie Flüchtlinge gerettet hatte, nannte das Schiff »ein Samariterboot«.
Ganz im Sinne der Regierungspropaganda! Dabei ist bekannt, dass die »Operation Sophia« den Auftrag hat, Flüchtlinge an der Überfahrt zu hindern. Weil das der Öffentlichkeit schwer zu vermitteln ist, hauen sie auf die Schleuser ein. Dabei agieren diese völlig marktkonform, nicht anders als viele global tätige Unternehmen, die aus Profitinteresse auch über Leichen gehen. Übrigens: Jedes Schiff ist verpflichtet, Menschen in Seenot zu retten. Der Bischof verschweigt, dass viele privat organisierte und finanzierte Hilfsorganisationen – auch aus Hamburg – Flüchtende retten.
Die Kirchen unterstützen die Agenda der Mächtigen also. Auf der anderen Seite hilft man gern dabei, die Menschen zu zerstreuen. Unsere Kirchen sind doch nur noch nette Locations für die »Kasualien«, also etwa Taufen und Hochzeiten, und geistliche Fitnessstudios für gestresste Mittelschichtler.
Geistliche Wellnesstempel gewissermaßen. Es wird weitgehend ein schlichtes Weltbild und eine entsprechend schlichte Theologie vermittelt.
Und dass Weihnachten und Ostern für die breite Masse nur noch Anlass für Konsum, für Saufen und Fressen sind, um mal die Sprache eines Martin Luther zu bemühen, nehmen die Kirchen achselzuckend hin. Müsste den Theologen nicht als ersten auffallen, wie der Kapitalismus alle Traditionen und Strukturen planiert? In meinem Wohnort sang neulich ein Kirchenchor im Einkaufszentrum – an einem verkaufsoffenen Sonntag ...
Es fehlt in der Kirche mehrheitlich an jedem Bewusstsein für die weltweit katastrophalen Auswirkungen des Neoliberalismus: Alles wird dem Markt unterworfen, auch die biblischen Traditionen vom Aufstehen und vom Widerstand gegen menschenverachtende Strukturen werden marktkonform gemacht – freiwillig. Das nennt die Bibel Hofprophetie in Abgrenzung zur herrschaftskritischen Prophetie, in deren Tradition sich Jesus verstand. Er trug als Staatsfeind verurteilt sein Kreuz auf dem Rücken, nicht auf dem Bauch wie die Bischöfe.