Das Friedensgebot des Grundgesetzes und der UN-Charta – ... und die Bundeswehr?* - von Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dieter Deiseroth, Leipzig**
I. Einleitung
Wer nach Lübeck kommt und einen Vortrag zum „Friedensgebot des Grundgesetzes und der UN-Charta“ halten soll, der muss zunächst auf eine Persönlichkeit zu sprechen kommen, die mit dieser Stadt in besonderem Maße verbunden ist: auf Willy Brandt, der ja hier in Ihrer wunderschönen Stadt das Licht der Welt erblickte und seine prägenden jungen Jahre verbrachte, und 1933 von hier aus vor den Nazis fliehen musste. Lübeck hat ihm 1972 insbesondere in Würdigung seiner herausragenden Verdienste um den Frieden die städtische Ehrenbürgerschaft verliehen. Willy Brandt hat in seiner Dankesrede anlässlich der Entgegennahme des Friedensnobelpreises im Dezember 1971 in Oslo eine Botschaft formuliert, die es verdient, an dieser Stelle zitiert zu werden:
„Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Es geht darum, Kriege abzuschaffen, nicht nur, sie zu begrenzen. ... Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio.“ (also die „äußerste Unvernunft“).
Das liegt ganz nahe bei Gustav Heinemann. In seiner Antrittsrede nach seiner Vereidigung als Bundespräsident hat Heinemann am 1. Juli 1969 eine – wie ich annehme – uns alle verbindende wichtige Erkenntnis zum Ausdruck gebracht, die bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren hat. Ich zitiere:
„Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken unterwiesen wurde, sondern heute ist der Frieden der Ernstfall. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr.“1
Zwei Umstände sind es, die es m.E. aktuell geboten erscheinen lassen, an den Beginn unserer Überlegungen leitmotivisch diese Worte von Willy Brandt und Gustav Heinemann zu stellen.
Zum Einen ist es die unverkennbare Entwicklung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik der letzten Jahre. Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder hat als Regierungschef seiner rot-grünen Koalition diese Entwicklung sinngemäß auf die vielsagende Formel gebracht: Ihm und seiner Regierung sei es endlich gelungen, das Militärische in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zu „enttabuisieren“.2 Ich wiederhole: zu enttabuisieren. Unsere gegenwärtige Bundesregierung der „Großen Koalition“ hat daran nichts auszusetzen. Sie setzt auch insofern auf Kontinuität. Und die Fakten belegen: Die weltweiten militärischen Einsätze der Bundeswehr sind inzwischen weithin zur „Normalität“ geworden; sie sollen, wenn wir die Botschaften führender Politiker unseres Landes etwa bei der Münchener Sicherheitskonferenz im Januar dieses Jahres beim Wort nehmen, an Bedeutung noch zulegen.
Und ich füge gleich meinen zweiten Anlass für das Aufgreifen der zitierten Monita von Willy Brandt und Gustav Heinemann hinzu. Es ist ein fulminantes Interview, das Hans-Peter Kaul dem Berliner „Tagesspiegel“ gegeben hat. Es wurde vor wenigen Tagen publiziert.3 Ich möchte es Ihnen sehr zur Lektüre empfehlen. Hans-Peter Kaul, der vor wenigen Wochen allzu früh verstorbene deutsche Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, der zuvor lange Jahre als Spitzenbeamter im Auswärtigen Amt tätig war, hat darin auf eine fundamentale Erkenntnis hingewiesen, die bei vielen politischen Entscheidungsträgern und auch in unseren Medien leider nur sehr unzureichend präsent ist: Der Einsatz bewaffneter militärischer Gewalt – ich zitiere Hans-Peter Kaul wörtlich – führt stets „fast automatisch zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Es gibt keinen Militäreinsatz ohne Verbrechen.“ Das sog. Humanitäre Kriegsvölkerrecht, die sog. Genfer Konventionen, bieten dagegen – leider - keinen wirksamen Schutz. Die Bilder in den Medien und die grausamen Informationen, die uns über die von Militäreinsätzen und ihren hochexplosiven Waffen bewirkten Trümmerwüsten und das menschliche Leid in Afghanistan, im Irak, in der Ukraine und im Gaza-Streifen/Palästina erreichen, belegen dies wieder und wieder erschreckend nachhaltig.
II. Die Ermächtigungsgrundlagen für einen Militäreinsatz der Bundeswehr
Das Grundgesetz ist, anders als etwa die Verfassung Costa Ricas, jedenfalls seit der im Jahre 1956 erfolgten Einfügung der so genannten Wehrverfassung, keine pazifistische Verfassung. Allen pazifistischen Hoffnungen vieler zum Trotz regelt nämlich Art. 87a GG seit 1956, dass der Bund „Streitkräfte zur Verteidigung“ aufstellt (Absatz 1). Diese dürfen allerdings – und dies ist sehr bedeutsam – „außer zur Verteidigung ... nur eingesetzt“ werden, „soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt.“ (Absatz 2)4
Und es gibt eine zweite Vorschrift des Grundgesetzes, die – so jedenfalls die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit 1994 – den militärischen Einsatz der Bundeswehr im Ausland zulässt: Art. 24 Abs. 2 GG. Danach kann sich der Bund in ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ einordnen. Dieses „Einordnen“ kann, so das Bundesverfassungsgericht seit 1994 in Abkehr von der bis dahin vorherrschenden allgemeinen Rechtsauffassung, auch mit Soldaten und militärischen Waffen erfolgen, obwohl in Art. 24 Abs. 2 GG von einer (im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG) „ausdrücklichen“ Zulassung eines Einsatzes der Bundeswehr keine Rede sein kann.
Beide Rechtsnormen regeln im Grunde sehr Unterschiedliches. Auf diese Unterschiede muss ich zunächst etwas näher eingehen.
Die zuerst genannte Grundgesetz-Vorschrift, Art. 87a GG, betrifft die Aufstellung und den militärischen Einsatz der Bundeswehr „zur Verteidigung“, also zur Selbstverteidigung Deutschlands und zur „kollektiven Verteidigung“ im Rahmen eines Militärbündnisses wie der NATO oder früher der WEU.
Bei der anderen Rechtsnorm, Art. 24 Abs. 2 GG, geht es um etwas gänzlich anderes, nämlich um ein Mitwirken im Rahmen eines „Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ wie der UNO.
1. Art. 87a GG
Was nach dem Grundgesetz unter „Verteidigung“, zu der die Bundeswehr gem. Art. 87a GG aufgestellt wird und ggf. eingesetzt werden darf, zu verstehen ist, lässt sich zum Einen dem Wortlaut der Regelung über den „Verteidigungsfall“ in Art. 115a GG entnehmen: Es geht um den Fall, dass das „Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen“ wird oder dass „ein solcher Angriff unmittelbar droht“. Das ist die sog. individuelle Selbstverteidigung.
Darüber hinaus geht es aber auch um die sog. kollektive Selbstverteidigung, also die Verteidigung zusammen mit Bündnispartnern, was in Art. 87a Abs. 1 und 2 GG klar zum Ausdruck kommt. Der Normtext dieser Vorschrift spricht – anders als die im Gesetzgebungsverfahren damals zunächst vorgeschlagene Fassung nicht von „Landesverteidigung“, sondern eben von „Verteidigung“ als Zweck der Aufstellung und des Einsatzes der Bundeswehr. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ist auch klar erkennbar, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber einen Einsatz im Rahmen eines NATO-Bündnisfalles als verfassungsrechtlich zulässig ansah, sofern der Einsatz dem Völkerrecht entspricht. Dies ist im Text des Grundgesetzes u.a. in Art. 80a Abs. 3 GG zum Ausdruck gekommen ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass „Verteidigung“ (als Einzelstaat und im NATO-Bündnis) im Sinne des GG alles – aber auch nur – das umfasst, was nach dem geltenden Völkerrecht, insbesondere nach der Charta der Vereinten Nationen (UN-Charta) zulässig ist5, der die Bundesrepublik Deutschland wirksam beigetreten ist.
Die UN-Charta gibt vor (Art. 2 Nr. 3 UN-Charta), dass alle Staaten ihre internationalen Streitigkeiten ausschließlich durch friedliche Mittel beizulegen haben.
Nur, ich betone: nur in zwei Ausnahmesituationen dürfen Staaten militärische Gewalt anwenden: Zum einen, wenn sie dazu vom UN-Sicherheitsrat ausdrücklich ermächtigt worden sind (Art. 42 und Art. 48 UN-Charta) und zum anderen im Fall individueller oder kollektiver Selbstverteidigung gegen einen gegenwärtigen bewaffneten Angriff („armed attack“, Art. 51 UN-Charta) auf sie selbst oder einen Verbündeten.
Der Einsatz der Bundeswehr „zur Verteidigung“ ist mithin ausschließlich als Abwehr gegen einen „militärischen Angriff“ („armed attack“ nach Art. 51 UN-Charta) erlaubt.
Dieser Angriff muss gegenwärtig sein; er darf nicht bereits beendet sein, da dann ein Angriff ja nicht mehr abgewendet werden könnte. Das ist nicht anders als im Zivilleben in einer Notwehrsituation: Man darf gegen einen Angreifer, der bereits am Boden liegt oder gar tot ist, nicht Gewalt anwenden. Das wäre keine Notwehr mehr.
Außerdem setzt Art. 51 UN-Charta, wie man durch schlichtes Lesen der Vorschrift feststellen kann, der Notwehr und Nothilfe eine zeitliche Grenze: Sie ist nur so lange erlaubt, bis der UN-Sicherheitsrat zur Regelung der Situation bei oder nach dem erfolgten militärischen Angriff die erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.
Nicht erlaubt sind damit militärische Einsätze zur Herbeiführung von Regimewechseln wie im Falle des Angriffskrieges der „Koalition der Willigen“ unter Führung der USA gegen den Irak im Jahre 2003. Völkerrechtlich nicht erlaubt ist auch der Einsatz nationalen Militärs zur Verfolgung, Durchsetzung und Sicherung ökonomischer, politischer oder geostrategischer Interessen. Das hat unserer früherer Bundespräsident Horst Köhler in einem Interview, das er dem Deutschlandradio am 22.5.2010 gab und das ihn dann nach erfahrener scharfer Kritik zum Rücktritt veranlasste, vollständig verkannt, in dem er erklärte:
„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern. Alles das soll diskutiert werden, und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg. ... Aber es wird wieder Todesfälle geben, nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch durch Unfall mal bei zivilen Aufbauhelfern. Das ist die Realität unseres Lebens heute, wo wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen: Es gibt Konflikte. Man muss auch um diesen Preis sozusagen seine am Ende Interessen wahren.“6
Das Ziel, z.B. Behinderungen beim Zugang zu Bodenschätzen, zu Ölpipelines oder zu Absatzmärkten zu beseitigen oder gar politische und wirtschaftliche Einflusszonen zu schaffen und zu sichern, berechtigt Staaten und damit auch Deutschland nach geltendem Völkerrecht gerade nicht zu militärischer Gewaltanwendung. Denn solche Behinderungen würde keine „armed attack“ auf Deutschland oder einen Verbündeten im Sinne von Art. 51 UN-Charta darstellen. Konflikte um solche Behinderungen müssen gem. Art. 2 Ziff. 3 UN-Charta allein mit friedlichen Mitteln ausgetragen werden, z.B. durch Verhandlungen oder in Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof oder durch Einschaltung der UNO, die dann ggf. auch nach Kapitel VI und VII der UN-Charta vorgehen kann.
Völkerrechtlich unzulässig ist auch militärische Gewaltanwendung zur Bekämpfung von individueller, organisierter oder terroristischer Kriminalität von Einzeltätern oder privater Banden. Auch wenn es sehr mühsam und schwierig ist, terroristische, also kriminelle Täter zu ermitteln, vor Gericht zu stellen und den Nachweis ihrer individuellen Schuld zu führen, rechtfertigt dies nicht, diese Schwierigkeiten dadurch zu umgehen, dass man stattdessen auf militärische Schläge, so genannte „gezielte Tötungen“ („targeted killings“) oder gar militärische Vergeltungs- und Bestrafungsaktionen setzt.
Der Fall des nach dem 11. September 2001 von den USA und ihren Verbündeten begonnenen und bis heute andauernden Krieges gegen Afghanistan ist dafür ein bedeutsames und folgenschweres Negativ-Beispiel. Dort entschied man sich lieber zur militärischen Gewaltanwendung durch die USA und Verbündete, ohne dass der UN-Sicherheitsrat dazu ermächtigt hatte. Dies geschah in Kooperation mit kriegerischen afghanischen Warlords, die zugleich schreckliche Menschenrechtsverletzungen begingen. Gegen diesen Krieg gegen Afghanistan („Operation Enduring Freedom“) gab es von Anbeginn an schwerwiegende völker- und verfassungsrechtliche Einwände, die ich in einigen wenigen Punkten hier wenigstens kurz thematisieren möchte:7 Der US-Angriff auf Afghanistan im Okt. 2001 war mit Art. 2 Nr. 3 UN-Charta unvereinbar, der völkerrechtlich verbindlich vorgibt, dass alle Staaten ihre internationalen Streitigkeiten, also auch diejenigen über eine Auslieferung von Tatverdächtigen terroristischer Anschläge, ausschließlich durch friedliche Mittel beizulegen haben. Lagen wirklich die Voraussetzungen des Art. 51 UN-Charta vor? Bis heute, also mehr als 13 Jahre nach 9/11, hat keine unabhängige Stelle, kein unabhängiges Gericht, die zur Verfügung stehenden angeblichen oder tatsächlichen Beweise überprüft und nachprüfbar in einem rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Verfahren festgestellt, wer für die Anschläge von 9/11 verantwortlich war. Die meisten der mutmaßlichen 9/11-Flugzeugentführer kamen aus Saudi-Arabien, einige auch aus Deutschland. Was berechtigte dann dazu, Afghanistan für 9/11 verantwortlich zu machen und mit Krieg zu überziehen? Wie lässt sich erklären, dass gegen Osama Bin Ladn, den damals in Afghanistan und/oder Pakistan befindlichen angeblichen oder tatsächlichen Drahtzieher der terroristischen Anschläge von 9/11, wegen dieses Vorwurfs nie ein Haftbefehl erging?8 Fehlten die Beweise?
Nach Durchführung und Beendigung der Anschläge von 9/11 war zum Zeitpunkt des Beginns der militärischen Aktionen der USA gegen Afghanistan Anfang Oktober 2001 kein „gegenwärtiger“ (fortdauernder) Angriff auf die USA (mehr) vorhanden. Alle an den 9/11-Anschlägen beteiligten Luftpiraten waren nach der eigenen Darstellung der US-Regierung bei den 9/11-Anschlägen ums Leben gekommen. Von ihnen konnte deshalb keine Gefahr für einen weiteren Angriff mehr ausgehen. Wie konnte es dann noch um eine Selbstverteidigung gegen eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende „armed attack“ gehen?
Das war der US-Regierung offenkundig auch bewusst. In seinen Memoiren „Against All Enemies“ (2004), hat Richard A. Clark, Chairman of the “Counter-terrorism Security Group at the White House” in der Regierung von President George W. Bush Jr., auf Seite 24 über die Beratungen des Präsidenten am 11. September 2001 hierzu Aufschlussreiches berichtet und zitiert:
“When later in the discussion [on the evening of Sept. 11, with Bush and his crisis advisors], Secretary Rumsfeld noted that international law allowed the use of force only to prevent future attacks and not for retribution, Bush nearly bit his head off. ‘No,’ the President yelled in the narrow conference room, ‘I don’t care what the international lawyers say, we are going to kick some ass.’”
Ungeachtet dessen hat Deutschland im NATO-Rat im September und Oktober 2001 für die Ausrufung des „NATO-Bündnisfalles“ votiert, der bis heute nicht für beendet erklärt worden ist.
2. Rückgriff auf Art. 24 Abs. 2 GG?
Art. 24 Abs. 2 GG trifft eine gänzlich andere Regelung als Art. 87a Abs. 1 und 2 GG in Verbindung mit Art. 51 UN-Charta. Das wird leider von vielen immer wieder verkannt. Verantwortlich für diese Begriffsverwirrung ist nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht mit seiner Out-of-area-Entscheidung“ von 1994. Damals ging es um einen Bundeswehreinsatz im Rahmen der NATO während der gewaltsamen Auflösung Jugoslawiens. Ein Angriff auf die Bundesrepublik oder ein anderes Mitglied der NATO lag nicht vor, so dass schon deshalb der militärische Einsatz der Bundeswehr schwerlich als „zur Verteidigung“ im Sinne von Art. 87a GG und Art. 51 UN-Charta gerechtfertigt werden konnte.
Gab es eine andere ausdrückliche Einsatzermächtigung für die Bundeswehr? Was machte das BVerfG, um nicht der Bundesregierung und der NATO in den Arm fallen zu müssen? Es deklarierte die NATO erstmals und zum Erstaunen vieler zu einem „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG. Es behauptete weiter, der Bundeswehr-Einsatz in Jugoslawien erfolge damit auf dieser Rechtsgrundlage des Art. 24 Abs. 2 GG. Damit sollten die Begrenzungen des Art. 87a Abs. 2 GG und des Art. 51 UN-Charta umgangen werden.
Das ist trotz aller Kritik, die diese Entscheidung erfahren hat, vom BVerfG in der Folgezeit in bloßen Zitatketten immer wieder fortgesetzt worden – ohne jede Auseinandersetzung mit den rechtlichen Einwänden, die gegen die erfolgte Gleichsetzung von NATO und UNO im Rahmen von Art. 24 Abs. 2 GG im Fachschrifttum erhoben werden. Deshalb muss ich auf die fundamentale Differenz zunächst etwas näher eingehen, weil sie m.E. rechtlich und konzeptionell höchst bedeutsam ist.
Erhellend für die Problemidentifizierung ist zunächst die Entstehungsgeschichte der maßgeblichen GG-Norm. In den Debatten des Parlamentarischen Rates zu Art. 24 Abs. 2 GG wurde kein eigenständiger verfassungsrechtlicher Begriff der „kollektiven Sicherheit“ geprägt. Vielmehr legte man die vorgefundene einschlägige Begrifflichkeit aus dem Völkerrecht der Verfassungsgebung zugrunde.9 Im Völkerrecht ist seit Jahrzehnten klar: „Kollektive Sicherheit und Bündnisse widersprechen sich fundamental.“10 Was sind diese fundamentalen Unterschiede, worin bestehen sie? Es lassen sich vier zentrale Kriterien festhalten:
(1) Verteidigungsbündnisse und „Systeme kollektiver Sicherheit“ reflektieren zwei entgegengesetzte Konzeptionen von Sicherheitspolitik. Das Grundkonzept von Verteidigungsbündnissen basiert auf Sicherheit durch eigene Stärke und die Stärke der eigenen Verbündeten. Es ist „partikulär-egoistisch“. Denn es verankert die eigene Sicherheit nicht zugleich in der Sicherheit des potentiellen Gegners, also gerade nicht in der gemeinsamen Sicherheit, sondern im Gegenteil in der relativen Schwäche und Unterlegenheit des potentiellen Gegners.
Die Grundkonzeption kollektiver Sicherheit, die in der Periode zwischen den beiden Weltkriegen als bewusste Alternative zu den tradierten sog. Militärallianzen und Verteidigungsbündnis-Systemen entwickelt wurde, basiert dagegen auf der Sicherheit aller potentiellen Gegner durch die Reziprozität und Gegenseitigkeit innerhalb einer internationalen Rechtsordnung. Es gründet auf dem Konzept der gemeinsamen Sicherheit.
(2) Anders als ein System kollektiver Sicherheit ist ein Verteidigungsbündnis – so auch die NATO – nicht auf Universalität im Sinne des Einschlusses potentieller Aggressoren angelegt.
So steht die NATO – bezeichnenderweise anders als das System „kollektiver Sicherheit“ der UNO – nicht jedem Beitrittswilligen offen, der die im NATO-Vertrag verankerten Ziele anerkennt. Dementsprechend haben die NATO und ihre Mitgliedsstaaten sowohl in den Jahren 1954/55 als auch im Zusammenhang mit den NATO-Osterweiterungen der letzten Jahre Begehren der früheren Sowjetunion und Russlands auf Einbeziehung in das NATO-Bündnis ausdrücklich abgelehnt.
(3) Drittens – und dies ist ein weiterer gravierender Unterschied eines Verteidigungsbündnisses (Militärallianz) zu einem kollektiven Sicherheitssystem – enthält der NATO-Vertrag für den Fall eines von einem eigenen Mitgliedsstaat begangenen Aggressionsaktes keine verbindlichen internen Konfliktreglungsmechanismen. Eine NATO-interne Verpflichtung der übrigen NATO-Partner, dem einen Aggressionsakt begehenden NATO-Verbündeten mit kollektiven NATO-Zwangsmaßnahmen entgegenzutreten, sieht der NATO-Vertrag gerade nicht vor. Dieses Defizit ist typisch für ein Bündnis zur kollektiven Verteidigung, das ja gerade zur Verteidigung gegen einen potenziellen externen Aggressor geschlossen wird.
(4) Die NATO etabliert auch – dies ist der vierte wesentliche Unterschied zu einem System kollektiver Sicherheit – keine den Mitgliedsstaaten übergeordnete zwischenstaatliche oder supranationale Gewalt einer organisierten und rechtlich geordneten Macht nach dem Modell der Vereinten Nationen.
Art. 24 Abs. 2 GG knüpft an diese vierfach typisierte völkerrechtliche Begrifflichkeit und fundamentale Unterscheidung zwischen einem „kollektiven Sicherheitssystem“ und einem „Verteidigungsbündnis“ an und inkorporiert diese Unterscheidung in das deutsche Verfassungsrecht. Diese Unterscheidung ist für die konzeptionelle Orientierung der deutschen Außen -und Sicherheitspolitik äußerst bedeutsam.
Rechtlich bedeutsam ist der skizzierte vierfache Unterschied zwischen einem „Verteidigungsbündnis“ und einem „System (gegenseitiger) kollektiver Sicherheit“ vor allem im Hinblick auf die in Betracht kommende Rechtsgrundlage für Einsätze der Bundeswehr. Für militärische Einsätze „zur Verteidigung“ auf der Grundlage von Art. 51 UN-Charta, also zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, ist Rechtsgrundlage allein Art. 87a GG („nur zur Verteidigung“). Denn diese Bestimmung ist insoweit die spezielle Ermächtigungsgrundlage („lex specialis“). Art. 24 Abs. 2 GG kommt als Rechtsgrundlage nur für Einsätze im Rahmen eines kollektiven Sicherheitssystems wie der UNO oder vielleicht einmal bei entsprechender Ausgestaltung der OSZE und nur dann in Betracht, wenn dabei die deutschen Streitkräfte tatsächlich im Rahmen und nach den Regeln dieses kollektiven Sicherheitssystems eingesetzt werden. Militärische Einsätze außerhalb der UN oder gar unter Bruch der UN-Charta können keinesfalls auf Art. 24 Abs. 2 GG gestützt werden.
Das BVerfG hat in seiner Out-of-Area-Entscheidung vom 12.7.1994 [Anm.11] – anders als in seiner früheren Rechtsprechung – argumentiert, besser gesagt: behauptet, es sei „unerheblich“, ob das von Art. 24 Abs. 2 GG adressierte „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ „ausschließlich oder vor nehmlich unter den Mitgliedsstaaten Frieden garantieren oder bei Angriffen von außen zum kollektiven Beistand verpflichten soll“. Entscheidend sei, dass das System „durch ein friedenssicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation für jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit (begründet), und dieser Status der völkerrechtlichen Gebundenheit „wechselseitig zur Wahrung des Friedens verpflichtet“ und „Sicherheit gewährt“. Auf dieser Grundlage hat das BVerG dann die NATO als ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ i.S. von Art. 24 Abs. 2 GG qualifiziert.
Meine These ist: Diese Argumentation des BVerfG geht an Entstehungsgeschichte, Normstruktur und Norminhalt des Art. 24 Abs. 2 GG vorbei und unterstellt so dieser Verfassungsnorm in ungerechtfertigter Weise eine abweichende, ja konträre sicherheitspolitische Grundkonzeption.
3. Daraus kann allerdings mit Mitteln der Verfassungsinterpretation nicht geschlossen werden, dass die staatlichen Organe allein von der Option des Art. 24 Abs. 2 GG, nicht aber von Art. 87a GG Gebrauch machen dürften. Das Grundgesetz hat vielmehr in seinem Text parallel nebeneinander zwei unterschiedliche sicherheitspolitische Grundkonzepte verankert, das der „kollektiven Sicherheit“ und das der „individuellen und kollektiven Verteidigung“.
III. Neun zentrale Elemente des Friedensgebotes des Grundgesetzes
Wenn vom „Friedensgebot“ oder von der „Friedensstaatlichkeit“ des Grundgesetzes gesprochen wird, wird zu Recht regelmäßig vor allem auf die folgenden neun Regelungskomplexe12 Bezug genommen:
(1.) die Präambel, wo es heißt, dass das „Deutsche Volk“, „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“, sich kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben hat.
In diesen Zusammenhang gehört auch Art. 1 Abs. 2 GG, wonach sich das Deutsche Volk „zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, die Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt“ bekennt,
„Frieden“ im Begriffsverständnis des Grundgesetzes ist jedenfalls die Abwesenheit von Krieg, also des Einsatzes militärischer Gewalt oder – wie es Ernst-Otto Czempiel ausgedrückt hat – der organisierten militärischen Beschädigung der physischen Existenz des Menschen. Es geht dabei nicht um eine nur zeitweise Vermeidung des Krieges, sondern betrifft auch dessen Vorbereitung sowie die Bereitschaft zum Krieg. Das Grundgesetz ist allerdings auf keines der Konzepte festgelegt, wie sie von Politologen, Friedensforschern, Soziologen, von wissenschaftlichen „Schulen“ und politischen Vereinigungen, von Parteien, Politikern und Bürgern unter den Begriffen „negativer“ und/oder „positiver Frieden“ debattiert und postuliert werden.
(2.) Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Friedensgebotes des GG ist Art. 26 GG, nämlich
– das Verbot des Angriffskrieges und von friedensstörenden Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören (Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG),
– der Auftrag an den Gesetzgeber zur Pönalisierung aller Verstöße gegen dieses verfassungsrechtliche Verdikt (Art. 26 Abs. 1 Satz 2 GG) sowie
– die Genehmigungspflichtigkeit von „zur Kriegsführung bestimmter Waffen“ (Art. 26 Abs. 2 GG),
(3.) Zum Friedensgebot gehört auch Art. 9 Abs.2 GG, der das Verbot von Vereinigungen vorsieht, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedenken der Völkerverständigung richten,
(4.) Besonders wichtige Elemente des Friedensgebotes sind die Bindungen aller staatlichen deutschen Hoheitsträger an „Recht und Gesetz“ (Art. 20 III GG) und an die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ (Art. 25 GG),
(5.) Zum Friedensgebot gehören auch die Option, Hoheitsrechte durch (einfaches) Bundesgesetz auf „zwischenstaatliche Einrichtungen“ übertragen zu können (Art. 24 Abs. 1 GG) sowie
(6.) die in Art. 24 Abs. 2 GG vorgesehene und oben bereits erwähnte Möglichkeit der Einordnung in ein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“.
(7.) Weiterer Bestandteil ist das in Art. 24 Abs. 3 GG verankerte Gebot der vorgesehenen Unterwerfung unter eine allgemeine, umfassende, obligatorische internationale Gerichtsbarkeit (Art. 24 Abs. 3 GG).
(8) Gleichfalls zum Friedensgebot des GG gehört die in Art. 23 GG enthaltene Verpflichtung zur Mitwirkung an der europäischen Einigung.
Hinweisen möchte ich ferner (9.) auf das Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) und seine besondere Relevanz für das Verhältnis von Gesetzgeber und Exekutive in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Das zeigt sich besonders an den aktuellen Kontroversen um eine – vor allem von den USA und Teilen der CDU/CSU verlangte – Änderung des Parlamentsbeteiligungsgesetzes.13
Bitte, sehen Sie mir angesichts meiner begrenzten Redezeit nach, wenn ich mich im Folgenden auf drei Bereiche konzentriere und mich zudem noch auf eher thesenartige Bemerkungen beschränke, und zwar auf die Probleme der Rüstungsexporte (Art. 26 Abs. 2 GG), der im GG normierten ausnahmslosen Bindung an das geltende Völkerrecht (Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG) sowie der Anerkennung der Zuständigkeit des Internationalen Gerichtshofs (Art. 24 Abs. 3 GG). Abschließen möchte ich mit einer perspektivischen Betrachtung, die die neue Rolle der Bundeswehr als „Armee im Einsatz“ reflektiert und auf der Basis von Art. 24 Abs. 2 GG, Art. 1 UN-Charta, des weiterhin geltenden Briand-Kellogg-Paktes sowie des 2+4-Vertrages für eine notwendige Veränderung der Außen- und Sicherheitspolitik hin zu einem konsistenten Konzept „gemeinsamer Sicherheit“ plädiert.
1. Rüstungsexporte (Art. 26 Abs. 2 GG)
Die Bundesregierung hat bekanntlich zwischenzeitlich begonnen, ihre Absicht in die Tat umzusetzen, eine Bürgerkriegspartei („Peschmerga“) im Nordirak für den militärischen Kampf gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat (IS)“ mit Waffen und Rüstungsgütern zu beliefern. Bundeswehrsoldaten koordinieren dies vor Ort. Ist das mit dem Friedensgebot des Grundgesetzes vereinbar?
Zunächst sollte man sich klarmachen, worüber man redet. Der Bürgerkrieg im Irak ist eine direkte Folge des völkerrechtswidrigen14 Angriffskrieges der USA und ihrer Koalition der Willigen gegen den Irak, der seit 2003 nicht nur Hunderttausenden das Leben kostete, sondern auch zur Auflösung der dortigen staatlichen Strukturen führte. Die jetzt u.a. im Irak wütende Terrorgruppe IS wurde nach vorliegenden Informationen über Jahre hinweg mit Duldung der USA als Kampfgruppe gegen das Assad-Regime in Syrien finanziell insbesondere von religiösen Stiftungen aus den Golfmonarchien sowie durch Waffenlieferungen u.a. aus Katar, Saudi-Arabien, Kroatien und Jordanien unterstützt.15
Die Bundesregierung will, wie es Außenminister Steinmeier formuliert hat, bei ihren Rüstungs- und Waffenlieferungen an Peschmerga und möglicherweise auch an weitere nicht-staatliche Kampfgruppen im Nordirak an die Grenzen des „rechtlich Machbaren“ gehen. Was heißt das? Wo sind diese Grenzen?
Art. 26 Abs. 1 GG schützt „das friedliche Zusammenleben der Völker“. Art. 26 Abs. 2 GG und das dazu ergangene Ausführungsgesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWG), bestimmen, dass „zur Kriegsführung bestimmte Waffen“ nur mit Genehmigung der Bundesregierung „hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht“ werden dürfen.
Bisher erfolgen Rüstungsexport-Genehmigungen regelmäßig aufgrund eines Beschlusses des Bundessicherheitsrates; dies ist nicht die Bundesregierung, sondern ein Ausschuss des Kabinetts. Denn diese besteht nach den Regelungen des Grundgesetzes aus der Bundeskanzlerin und allen Ministern. Fehlt mithin ein Beschluss des Kabinetts und liegt nur ein Beschluss des Bundessicherheitsrates vor, ist die Genehmigung eines Kriegswaffenexportes damit schon aus formellen Gründen rechtswidrig.16
Materielle Kriterien für eine Kriegswaffen-Exportgenehmigung sind bisher nicht im Kriegswaffenkontrollgesetz (KWG), sondern in den „Politischen Grundsätzen der Bundesregierung“ aus dem Jahre 2000 festgelegt. Das verletzt den sog. Parlamentsvorbehalt: Alle wesentlichen Fragen, die jedenfalls für den Schutz und die Begrenzung von Grundrechten von Relevanz sind, müssen vom Parlament entschieden werden. Auch wenn die insoweit vom Bundesverfassungsgeicht entwickelte sog. „Wesentlichkeitstheorie“ erhebliche Unschärfen aufweist, muss konstatiert werden, dass Rüstungsexporte sehr weitreichende Folgen für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger haben können. Für eine Entsendung von Soldaten der Bundeswehr mit der Gefahr einer Einbeziehung Deutschlands in militärische Konflikte hat das Bundesverfassungsgericht deshalb sogar einen auf den konkreten Einzelfall bezogenen konstitutiven Parlamentsvorbehalt dem Grundgesetz entnommen. Hinsichtlich von Waffen-Exportgenehmigungen fehlt es im KWG jedenfalls an einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Diese ist m.E. jedenfalls deshalb erforderlich, weil solche Exportgenehmigungen weitreichende Folgen haben, insbesondere auch für die fundamentalen Grund- und Menschenrechte wie Leben, Gesundheit und menschliche Würde derjenigen, die durch diese Waffen direkt oder indirekt geschädigt werden. Dem Parlament steht zudem gegenüber der Bundesregierung bei solchen Rüstungsexportgenehmigungen ein effektiver Auskunftsanspruch zur Seite. Ihm dürfen keine zeitnahen und detailgenauen Auskünfte verweigert werden; die parlamentarische Kontrolle der Regierung darf nicht etwa unter Hinweis auf nicht näher spezifizierte Interessen der Empfängerländer oder Unternehmensgeheimnisse ausgehebelt werden.
Bei der aktuellen Lieferung von Kriegswaffen an eine Bürgerkriegspartei im Kriegsgebiet des Nordirak greift Deutschland als Partei in einen bewaffneten Konflikt ein. Es geht dabei nicht um ein Waffengeschäft eines Rüstungsunternehmens, sondern um staatliches Handeln. Deutschland interveniert als Waffenlieferant in militärische Kampfhandlungen. Die deutschen Lieferungen sind damit jedenfalls als Beihilfe zur oder gar als Teilnahme an der Anwendung militärischer Gewalt zu qualifizieren, die (auch) einer völkerrechtlichen Rechtfertigung bedürfen.17 Rechtlich legitimieren könnte eine solche Kriegsbeteiligung m.E. nur der UN-Sicherheitsrat. Eine Ermächtigung dazu durch den UN-Sicherheitsrat nach Art. 39, 42 UN-Charta liegt nicht vor.
Das gilt im Übrigen auch für die von US-Präsident Obama angeordneten „militärischen Luftschläge“ gegen IS-Ziele im Irak und in Syrien. Auch hier fehlt es an jeder Ermächtigung durch den UN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UN-Charta. Es ist zudem nicht bekannt, dass die US-Regierung bei der Regierung Syriens um die erforderliche Zustimmung zu den US-Luftangriffen auf das Territorium Syriens nachgesucht und diese erhalten hat; ohne ein solches Einverständnis der syrischen Regierung wird die territoriale Integrität dieses Landes durch die US-Luftangriffe in völkerrechtswidriger Weise verletzt. Diese würden gegen Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta verstoßen. Jede verbale, politische oder gar militärische Unterstützung völkerrechtswidriger US-Luftangriffe gegen Ziele auf syrischem Staatsgebiet durch die deutsche Bundesregierung wäre ebenfalls ein völkerrechtliches Delikt und im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 25 GG zugleich verfassungswidrig.
Zurück zu den deutschen Rüstungs- und Waffenlieferungen an Peschmerga: Wenn deutsche Soldaten die mit deutschen Waffen unterstützte Bürgerkriegspartei vor Ort in die Anwendung dieser Waffen einweisen, kann darin auch eine Form des Einsatzes von Teilen der Bundeswehr gesehen werden. Für einen Einsatz der Bundeswehr, bei dem Soldaten der Bundeswehr in militärische Auseinandersetzungen verstrickt werden können, ist nach der Rechtsprechung des BVerfG und nach dem Parlamentsbeteiligungsgesetz eine konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages erforderlich.
Wir sollten zudem fragen: Dienen solche Rüstungs- und Waffenexporte in eine Krisenregion wie den Nahen Osten wirklich dem „friedlichen Zusammenleben der Völker“ und beachten sie damit die von Art. 26 GG gezogenen Grenzen? Immerhin ist allgemein bekannt, dass solche gelieferten Waffen vor allem in Bürgerkriegsregionen beinahe regelmäßig in „falsche Hände“ gelangen, was nicht zuletzt auch die aktuelle Ausrüstung der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) u.a. mit US-Waffen belegt.
Und schließlich: Die aktuell diskutierten deutschen Waffenlieferungen an Peschmerga sind keineswegs alternativlos. M.E. könnte dem proklamierten Ziel des Schutzes der Menschenrechte von IS bedrängter Volksgruppen wie den Jesiden und anderen viel eher durch die Unterbindung des finanziellen, personellen und militärischen Nachschubs für die Terrorgruppe IS, durch Einrichtung von Schutzzonen im Nordirak und in den angrenzenden Nachbarstaaten, die Evakuierung von Zivilisten und durch schnelle humanitäre Hilfslieferungen (Nahrung, Medizin usw.) gedient werden.
2. Bindung an das geltende Völkerrecht (Art. 20 Abs. 3 und Art. 25 GG) und uneingeschränkte Anerkennung der Zuständigkeit des IGH (Art. 24 Abs. 3 GG)
Die im Grundgesetz verankerte Kontrolle staatlicher Macht durch strikte Verpflichtung auf die Legalität war und ist die zentrale Antwort des Grundgesetzes auf die beiden von Deutschland ausgegangenen Weltkriege von 1914/18 sowie 1939/45. Diese Verfassung will unmissverständliche Konsequenzen ziehen aus den für die Völker dieser Welt und das deutsche Volk resultierenden Erfahrungen mit dem verbrecherischen Nazi-Regime.
Die im Grundgesetz normierte Bindung aller staatlichen Gewalt (an „Recht und Gesetz“, Art. 20 Abs. 3 GG) sowie an die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ (Art.25 GG) haben unmittelbare Auswirkungen für alle Rechtsbereiche, und zwar zumindest in vierfacher Hinsicht:
(1) Das gesamte deutsche Recht muss völkerrechtskonform ausgelegt und angewendet werden.
(2) Deutsche Stellen dürfen im In- und Ausland, auch in internationalen Gremien etwa der EU oder der NATO, nicht an Beschlüssen oder Aktionen mitwirken, die einen Verstoß gegen geltendes Völkerrecht beinhalten oder bewirken.
(3) Hoheitsakte – z.B. auch gegenüber Soldaten erteilte Befehle und an Beamte erteilte Anweisungen –, die gegen Art. 25 GG verstoßen (z.B. die Unterstützung von Militäraktionen, die gegen die UN-Charta oder Völkergewohnheitsrecht verstoßen), sind verfassungswidrig und nichtig. Sie brauchen nicht befolgt zu werden.
(4) Art. 25 GG ordnet darüber hinaus in seinem Satz 2 an, dass die „allgemeinen Regeln des Völkerrechts“ allen innerstaatlichen Gesetzen vorgehen sowie unmittelbare Rechte und Pflichten für alle Bewohnerinnen und Bewohner des Bundesgebiets begründen. Das ist eine revolutionäre Neuheit in der deutschen Rechtsgeschichte, auch im internationalen Vergleich. Leider ist diese Regelung in ihrer Tragweite bis heute nicht hinreichend erkannt und entfaltet worden.
Wir müssen dennoch immer wieder die bestürzende Erfahrung machen: Gerade die Normen des Völkerrechts, die auf die Bewahrung und Schaffung des Friedens ausgerichtet sind, aber auch die Gewaltverbote und Friedensgebote des nationalen Rechts werden immer wieder missachtet, gerade auch von denen, die einen Amtseid auf die Verfassung und damit zugleich auch auf das geltende Völkerrecht geleistet haben.
Die jüngere und jüngste Vergangenheit bietet dafür zahlreiche illustrative Beispiele:
• die aktive politische und militärische Beteiligung Deutschlands am Krieg der NATO-Staaten gegen Jugoslawien im Jahre 1999 unter der rot-grünen Bundesregierung des Kanzlers Gerhard Schröder (SPD),18
• die zumindest indirekte Unterstützung für die US-geführte „Koalition der Willigen“ im Krieg gegen Irak im Jahre 2003 (Gewährung von Überflugrechten, Gestattung der unkontrollierten Nutzung der inländischen Infrastruktur und Militärbasen, logistische und nachrichtendienstliche Kooperation bei der Kriegsführung bis hin zur Zielauswahl, Missachtung der Neutralitätspflichten aus dem V. Haager-Abkommen etc.),19
• die Hinnahme von oder gar Mitwirkung an Menschenrechtsverletzungen im „Krieg gegen den Terror“ (z.B. Duldung von Flügen im deutschen Luftraum und Nutzung des deutschen Territoriums im Rahmen von Renditions-Aktionen u.a. der CIA;20 Behinderung der Strafverfolgung von Folter-Verantwortlichen;21 Steuerung von Drohnen-Angriffen durch US-Kommandoeinrichtungen in Deutschland22 mit gezielten Tötungen von Terrorismus-Verdächtigen ohne rechtsstaatliche Verfahren, nicht selten unter Inkaufnahme erheblicher Schäden für unbeteiligte Zivilpersonen)23,
• das Beharren auf der weiteren „nuklearen Teilhabe“ Deutschlands, in deren Rahmen die Übergabe von US-Atomwaffen an Deutschland aktiv geübt wird; entgegen Art. II des NPT ist vorgesehen, dass Deutschland im Kriegsfalle Verfügungsgewalt über diese Atomwaffen erhält; deutsche Flugzeuge werden damit beladen und deutsche Piloten sollen sie im Einsatzfalle abwerfen.24
Das dürfen wir nicht hinnehmen. Völkerrechtsbrüche müssen benannt und gebrandmarkt werden. Erforderlich ist, dass die dafür Verantwortlichen in der kritischen Öffentlichkeit einem unüberhörbaren „blaming and shaming“ ausgesetzt werden.
Dabei kommt der Zivilgesellschaft und damit insbesondere auch den Kirchen eine bedeutende Rolle zu. Die Kirchen dürfen sich in Fragen der Einhaltung des geltenden Völkerrechts, zumal wenn es um Krieg und Frieden geht, schon im Hinblick auf das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten“ und die Vorgaben der Bergpredigt Jesu nicht zurück- oder gar heraushalten. Das muss m.E. gerade auch bei militärischen Einsätzen der Bundeswehr gelten.
Und unsere Abgeordneten sind aufgerufen. Sie müssen bei Entscheidungen über Auslandseinsätze der Bundeswehr mehr als bisher auf das Friedensgebot des Grundgesetzes und der UN-Charta achten. Wir als kritische Staatsbürger, von denen sie gewählt oder nicht wiedergewählt werden, müssen stärker als bisher ihr Abstimmungsverhalten prüfen („Abgeordne-ten-Watching“). Auch außerhalb von Wahlkämpfen müssen wir mit unseren kritischen Fragen bei ihnen „auf der Matte stehen“ und uns kritisch zu Wort melden, z.B. in Leserbriefen, mit E-mails, mit Demonstrationen, durch Appelle von Bürgerinitiativen und Berufsverbänden oder ganz traditionell per Post oder in Sprechstunden und Veranstaltungen der Abgeordneten.
Handlungsbedarf gibt es auch für den Generalbundesanwalt, der in mehreren Entscheidungen gemeint hat, das Verbot des Angriffskrieges in Art. 26 GG und in § 80 StGB erfasse nur die Vorbereitung eines Angriffskrieges, nicht aber dessen Beginn und Durchführung, was aber der klare Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 1 GG ist. Dies war und ist auch der ausdrückliche Wille des Gesetzgebers von § 80 StGB, der dies in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebracht hat:
„§ 80 umfasst nicht nur, wie der Wortlaut etwa annehmen lassen könnte, den Fall der Vorbereitung eines Angriffskrieges, sondern erst recht den der Auslösung eines solchen Krieges.“ (BT-Drucksache V/2860, S. 2, rechte Spalte, 2. Absatz).
Die Entscheidung der Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Karlsruhe, in mehreren Einstellungsentscheidungen diese normativen Vorgaben zu missachten, bedarf der Korrektur. Notfalls muss der Gesetzgeber § 80 StGB nachbessern. Dazu gehört auch, dass die Weisungsbefugnis der Bundesregierung gegenüber dem Generalbundesanwalt endlich beseitigt und die Klageerzwingungsrechte der Bürgerinnen und Bürger gestärkt und erweitert werden.
Nicht unterschätzt werden sollte, dass innerstaatliche Gerichte für die Durchsetzung und Stärkung des Völkerrechts eine wichtige Rolle spielen können.25 Wo die geltende Rechtsordnung dem Handeln der Exekutive rechtliche Grenzen zieht, ist es Aufgabe der – rechtlich von der Exekutive unabhängigen – Gerichte, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit ihre Aufgabe als Wahrer der „rule of law“ zu erfüllen. Richter und Staatsanwälte müssen, immer wenn es in einem konkreten Streitfall darauf ankommt, ihre sich aus dem Grundgesetz ergebende Pflicht erfüllen, der „rule of law“, der „Herrschaft des Rechts“ gegenüber dem „Recht des Stärkeren“, zum Durchbruch zu verhelfen.
Zur Stärkung der Durchsetzung des Völkerrechts gehört auch die internationale Ebene. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben in Artikel 24 Absatz 3 GG den Verfassungsauftrag verankert, dass sie Deutschland gerade bei den Staaten sehen wollten, die in Sachen Völkerrechtsfreundlichkeit, internationaler Zusammenarbeit und Integrationsbereitschaft „voran“ gehen und so „dem Frieden der Welt dienen“ (Präambel). Mit einem „umfassenden“ Beitritt zu einer umfassenden obligatorischen internationalen Gerichtsbarkeit nach Artikel 24 Absatz 3 GG sollte Deutschland Lehren aus seiner Geschichte ziehen und sich nicht etwa hinter anderen „schwarzen Schafen“ von (potenziellen) Völkerrechtsbrechern verstecken und es ihnen im Negativen gleich tun. Das ist auch im Wortlaut der Verfassungsnorm deutlich zum Ausdruck gekommen. Sie eröffnet keine bloße Option („kann“), sondern begründet – wie ihr Normtext („wird ... beitreten“) ausweist – eine zwingende Rechtsverpflichtung.
Die deutsche Bundesregierung hat diesen Verfassungsauftrag fast 60 Jahre missachtet. Erst am 30. April 2008 hat das Kabinett der von Außenminister Steinmeier beabsichtigten Erklärung gegenüber den Vereinten Nationen zugestimmt, dass sich die Bundesrepublik Deutschland künftig der obligatorischen Gerichtsbarkeit des Internationalen Gerichtshofs (IGH) unterwirft.
Die Anerkennungserklärung der Bundesregierung von 2008 hat nunmehr zur Folge, dass Deutschland künftig völkerrechtliche Streitfälle mit allen anderen – weltweit bislang 65 – Staaten, die ebenfalls die obligatorische Gerichtsbarkeit („Obligatorium“) des IGH anerkannt haben, vor diesem „Weltgericht“ austragen kann. Es kann gegen diese Staaten klagen und von ihnen verklagt werden. Anders als bisher ist die Zuständigkeit des IGH nicht mehr auf Streitigkeiten beschränkt, die ihm in Verträgen (z.B. durch die Völkermordkonvention) oder speziellen Abmachungen zur Entscheidung ausdrücklich zugewiesen worden sind.
Das ist im Grundsatz sehr zu begrüßen. Mit dem IGH als dem „Hauptrechtsprechungsorgan“ der UNO (Art. 92 UN-Charta) wird nicht nur das Forum gestärkt, das – über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus – zur Klärung völkerrechtlicher Streitfragen und damit zur Stärkung des Völkerrechts maßgeblich beitragen kann, sondern auch die UNO selbst.
Sehr befremdlich ist allerdings, dass die deutsche Anerkennungserklärung in der von der Bundesregierung nunmehr beschlossenen Fassung einen doppelten Militär-Vorbehalt enthält, die sie für wichtige völkerrechtliche Bereiche weithin wertlos zu macht.
In ihr werden völkerrechtliche Streitigkeiten zum einen über den Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland und zum anderen über die Nutzung deutschen Hoheitsgebiets für militärische Zwecke von der Zuständigkeit des IGH ausdrücklich ausgenommen. Damit werden gerade diejenigen Kategorien völkerrechtlicher Streitigkeiten, um deretwegen in einem langen historischen Prozess die internationale Gerichtsbarkeit vor allem geschaffen wurde, einer möglichen gerichtlichen Überprüfung durch den IGH entzogen.
Dies betrifft vor allem künftige Streitfälle über die völkerrechtliche Zulässigkeit militärischer Verwendungen der Bundeswehr im Ausland. Niemand soll also Deutschland vor dem Weltgerichtshof in Den Haag verklagen können, wenn es – wie etwa 1999 bei seiner Mitwirkung an den NATO-Luftangriffen auf Belgrad und andere Ziele in Serbien („Kosovo-Krieg“) – dem Vorwurf ausgesetzt ist, an einem schweren Verstoß gegen das völkerrechtliche Gewaltverbot („ius ad bellum“) beteiligt zu sein. Auch wegen Verletzungen des Kriegsvölkerrechts u.a. der Genfer Konventionen („ius in bello“) durch seine Streitkräfte will sich Deutschland nicht vor dem IGH verantworten, was etwa im Afghanistan-Krieg angesichts der großen Zahl ziviler Opfer der Kampfhandlungen im Rahmen von „Enduring Freedom“ und ISAF von erheblicher Relevanz war.
Der zweite Teil des doppelten Militärvorbehalts betrifft die Nutzung deutschen Hoheitsgebiets durch andere Militärmächte. Dabei geht es nicht nur um für internationale Einsätze relevante, auf deutschem Boden befindliche ausländische Kommandozentralen, Militärstützpunkte, Flughäfen, Kommunikationseinrichtungen, Verkehrswege und Häfen. Auch der deutsche Luftraum kann in völkerrechtswidrige Aktionen einer in Deutschland stationierten Militärmacht einbezogen werden, wobei sich dann z.B. die Frage stellt, ob Deutschland mit der Gewährung von Überflugrechten eine völkerrechtswidrige Kriegsführung unterstützt. Dabei geht es gerade auch um den Schutz von Menschenrechten – derjenigen der zivilen Opfer (und ihrer Angehörigen) von Bombardierungen, „gezielten Tötungen“, Misshandlungen und von Verstößen gegen die Genfer Konventionen.
Die beiden deutschen Vorbehalte („Streitkräfteeinsatz im Ausland“ und „Nutzung deutschen Hoheitsgebietes“) müssen den Eindruck erwecken, als scheue die Bundesregierung gerade in militärischen Fragen eine rechtliche Überprüfung durch den Internationalen Gerichtshof. Wer so handelt, setzt sich dem Verdacht aus, dass er notfalls auch entgegen dem geltenden Völkerrecht die Bundeswehr militärisch einsetzen oder deutsches Hoheitsgebiet oder deutschen Luftraum für völkerrechtswidrige Aktionen ausländischen Streitkräften zur Verfügung stellen will. Die Bundesregierung, die nicht müde wird, sich auf eine gestiegene „internationale Verantwortung“ Deutschlands zu berufen, gibt damit ein verheerendes Signal.
Dies kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass auch andere Staaten ihre Erklärung über die Anerkennung der obligatorischen Gerichtsbarkeit des IGH mit Vorbehalten verbunden, eine solche bisher gar nicht abgegeben oder ihre Anerkennungserklärung – wie die USA und Frankreich nach Prozessniederlagen – nachträglich wieder zurückgezogen haben.
Es gibt von Verfassungs wegen keine schützenswerten Interessen Deutschlands, die den aktuellen doppelten Militär-Vorbehalt rechtfertigen könnten. Deutschland kann seine Interessen glaubwürdig und dauerhaft am besten durch die strikte Beachtung des Völkerrechts vertreten. Die Bundesregierung wäre gut beraten gewesen, dem Beispiel etwa Österreichs und der Niederlande zu folgen, die sich der Gerichtsbarkeit des IGH ohne solche Vorbehalte unterworfen haben.
3. Perspektiven: Von der militärischen Logik einer „Armee im Einsatz“ hin zu einem konsistenten Konzept „gemeinsamer Sicherheit“
Wie wir bereits sahen, basiert das Grundkonzept von Militärallianzen wie der NATO traditionell auf dem Anstreben von Sicherheit durch eigene Stärke und die Stärke der eigenen Verbündeten. Es setzt auf „Abschreckung“ und ist „partikulär-egoistisch“. Denn es verankert die eigene Sicherheit nicht zugleich in der Sicherheit des potenziellen Gegners, also gerade nicht in der gemeinsamen Sicherheit, sondern im Gegenteil in der relativen Schwäche und Unterlegenheit des potentiellen Gegners.
Die Anfang der 1980er Jahre von dem früheren schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme geleitete „Unabhängige Kommission für Abrüstung und Sicherheit“, an der neunzehn bedeutende Politiker und Fachleute aus Ost und West, Nord und Süd, darunter der frühere deutsche Bundesminister und Abrüstungsexperte Egon Bahr, mitwirkten, hat in der Hochphase des Kalten Krieges die lebensbedrohlichen Konsequenzen von Militärallianzen mit nuklearen Abschreckungsdoktrinen eingehend analysiert und daraus bemerkenswerte Schlussfolgerungen gezogen, die sie in einem Alternativ-Konzept „gemeinsamer Sicherheit“ zusammengefasst hat:26
„In der heutigen Zeit kann Sicherheit nicht einseitig erlangt werden. Wir leben in einer Welt, deren ökonomische, politische, kulturelle und vor allem militärische Strukturen im zunehmenden Maße voneinander abhängig sind. Die Sicherheit der eigenen Nation lässt sich nicht auf Kosten anderer Nationen erkaufen.“
Im nuklearen Zeitalter der gegenseitig gesicherten Zerstörung ist, so die Palme-Kommission, Sicherheit nicht mehr vor dem potentiellen Gegner, sondern nur noch mit ihm, d.h. als gemeinsame Sicherheit zu erreichen.
Das knüpft unmittelbar an die Vorstellungen einer „kollektiven Sicherheit“ an, wie sie in der UN-Charta sowie in Art. 24 Abs. 2 GG ihren Niederschlag gefunden haben.
Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung, die immer wieder geltend macht, das nukleare Abschreckungssystem habe in den Zeiten des „Kalten Krieges“ und darüber hinaus bis heute seine Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit eindrucksvoll unter Beweis gestellt und so den Frieden gesichert, gab es in Wirklichkeit in den vergangenen 60 Jahren zumindest zwanzig solcher äußerst kritischen Situationen – sowohl im Osten als auch im Westen –, in denen die Welt am Rande des nuklearen Infernos stand und in denen sich – wie es der frühere US-amerikanische Verteidigungsminister Robert McNamara formuliert hat – das Überleben der Menschheit allein glücklichen Zufällen verdankte. Es ist hier nicht der Ort, diese Situationen im Einzelnen näher darzustellen, zumal sie anderenorts gut dokumentiert sind.27
Die Missachtung der Erkenntnisse der Palme-Kommission von der im Nuklearzeitalter bestehenden existenziellen Notwendigkeit, in der Sicherheitspolitik vom Grundkonzept „gemeinsamer Sicherheit“ auszugehen, zeigt sich gegenwärtig sehr praktisch und deutlich am Beispiel der offenkundig immer weiter fortschreitenden Osterweiterung der NATO und der aktuellen Krise in der Ukraine.
Die Osterweiterung entspricht zwar, wie es den Anschein hat, den Forderungen der gegenwärtigen Regierungen und den Wünschen weiter Kreise der Bevölkerungen der Beitrittsländer. Diese nationalen Optionen sind aufgrund der historischen traumatischen Erfahrungen dieser Völker mit dem früheren Zarenreich und dann der stalinistischen und nachstalinistischen Sowjetunion auch durchaus versteh- und erklärbar.
Das ändert aber nichts daran, dass Grundlage und Orientierung der NATO-Osterweiterung(en) in Mittel- und Osteuropa eben nicht die Ausrichtung auf eine gemeinsame Sicherheit aller potenziellen Konfliktparteien ist. Eng verbunden mit dem jeweiligen NATO-Beitritt dieser Länder sind regelmäßig (im Übrigen äußerst kostspielige) Rüstungsmodernisierungen und die Ausrüstung der neuen Bündnispartner mit NATO-kompatiblen Waffensystemen sowie der Aufbau von neuen Militärstützpunkten sowie die Entwicklung entsprechender Einsatzkonzepte gegen den potenziellen Gegner Russland. Die Beitrittsländer werden so als NATO-Mitgliedsstaaten ausnahmslos in das NATO-Militärsystem eingebunden und damit nicht nur aus der Sicht Russlands, sondern auch objektiv zu vorgeschobenen NATO-Militärbasen.
Dies geschieht bezeichnenderweise entgegen allen Zusagen des damaligen US-Präsidenten George Bush sen. und seines Außenministers James Baker gegenüber dem damaligen sowjetischen Präsidenten Gorbatschow bei der Beendigung des Kalten Krieges und bei Abschluss der Charta von Paris im Jahre 199028.
Die Missachtung des Konzepts gemeinsamer Sicherheit offenbart sich allen verbalen Beteuerungen zum Trotz objektiv auch in der von der US-Regierung Bush jun. in Gang gesetzten – von dem neuen US-Präsidenten Obama zwischenzeitlich aufgeschobenen oder modifizierten29 – Einbeziehung Polens und Tschechiens in die im Aufbau befindlichen US-amerikanischen „Anti-Raketensysteme“.
Das gilt auch für die 2008 einstweilen am Veto Frankreichs und Deutschlands gescheiterte Absicht, die Ukraine in die NATO aufzunehmen, sowie für die Ereignisse in diesem Land, die im Herbst letzten Jahres ihren Ausgang nahmen von dem geplanten Assoziierungsabkommen der Europäischen Union mit der Ukraine. Diese Verhandlungen wurden über 5 Jahre ohne jede Einbeziehung Russlands geführt, das besonders enge Wirtschaftsbeziehungen insbesondere mit der Ost-Ukraine unterhielt und nach wie vor hat. Eine Abstimmung war auch im Hinblick auf die von Russland abgeschlossene Zollunion mit Anrainerstaaten dringend geboten. Vor allem war eine solche Abstimmung der unterschiedlichen Interessenlagen wegen des vorgesehenen militärischen Teils des Assoziierungsabkommens unverzichtbar. In dem bisher nicht publizierten Entwurf des EU-Ukraine-Abkommens war vorgesehen, dass die Vertragsparteien „Dialog und Zusammenarbeit“ in der Außen- und Sicherheitspolitik und dabei eine „allmähliche Konvergenz“ anstreben. Vorgesehen sind u.a. eine Erkundung des „Potenzials für militärisch-technologische Kooperation“ sowie „enge Beziehungen“ zur Europäischen Verteidigungsagentur. Dieses Vorgehen und schließlich die gewaltförmige Aufkündigung der von den Außenministern Deutschlands, Frankreichs und Russlands mit dem damaligen ukrainischen Präsidenten und Vertretern der ukrainischen Opposition ausgehandelten Abkommens vom 21.2.2014 über einen friedlichen Machtwechsel in der Ukraine sowie die gegen die Verfassung der Ukraine verstoßende Amtsenthebung des ukrainischen Präsidenten und weitere Vorfälle haben zwischenzeitlich zu der schwersten Krise im Verhältnis zwischen den Staaten der EU und der NATO einerseits sowie Russlands andererseits geführt. Niemand weiß, ob sich daraus ein Kalter oder gar ein Heißer Krieg entwickeln wird.
Es ist alles andere als fernliegend, dass insbesondere die NATO-Osterweiterung und die in den letzten Jahren in der Nachbarschaft Russlands erfolgten weiteren Maßnahmen des „Westens“ zur engeren Einbindung der Ukraine im Rezeptionshorizont der russischen Entscheidungsträger als sicherheitspolitische Bedrohung wahrgenommen wird, die derjenigen vergleichbar ist, in der sich die US-Regierung im Oktober 1962 wähnte, als die damalige Sowjetunion Atomraketen auf Kuba, also im unmittelbaren geographischen Umfeld der USA, dislozierte.
Dabei muss in Rechnung gestellt werden, dass wir es heute objektiv mit sehr ungleichen Bedrohungspotenzialen zu tun haben. Von einem „strategischen Gleichgewicht“, auf das der „Westen“ vor 1989 gegenüber der Sowjetunion so besonderen Wert legte, kann, zurückhaltend formuliert, schwerlich die Rede sein. Das lässt sich schon aus einem Vergleich der Militärausgaben ablesen. Nach Angaben des Stockholmer SIPRI-Instituts gab Russland 2013 ca. 88 Mia. Dollar für seine Militärrüstung aus; Frankreich, Deutschland und das Vereinigte Königreich kamen auf 168 Mia.; die USA allein wandten 640 Mia. Dollar auf, alles in Allem das Achtfache des russischen Budgets. Hinzu kommt der enorme technologische Vorsprung der westlichen Volkswirtschaften und damit auch ihrer Streitkräfte.
Das alles lässt es nicht fernliegend erscheinen, dass für die russischen Machtträger eine „umgekehrte Kuba-Situation“ wahrgenommen werden könnte. Bekanntlich veranlasste die damalige Situation mit sowjetischen Atomraketen „vor der Haustür“ der USA die Kennedy-Administration im Oktober 1962, eine militärische Seeblockade rund um Kuba zu verhängen und mit starken Marinekräften durchzusetzen. Kennedy war dabei zu einer militärischen Invasion Kubas und einer gewaltsamen Zerstörung der dortigen sowjetischen Raketenstellungen für den Fall entschlossen, dass diese nicht unverzüglich abgebaut würden. Bei ihrem Vorgehen nahmen Präsident Kennedy und seine Regierung die Auslösung eines Nuklearkriegs bewusst in Kauf. Ebenso war die sowjetische Regierung, wie später der Stabschef des Warschauer Pakts, General Gribkov, der während der Krise als hoher sowjetischer Offizier vor Ort in Kuba war, enthüllte, im Falle einer US-Invasion auf Kuba zu einem Nuklearschlag gegen die USA vorbereitet und entschlossen.
Kuba war 1962 als souveräner Staat völkerrechtlich berechtigt, mit der Sowjetunion sicherheitspolitisch zu kooperieren und um Beistand gegen eine befürchtete Invasion der USA nachzusuchen. Die Stationierung der sowjetischen Nuklearraketen erfolgte nach der Begründung der sowjetischen Regierung zu dem Zweck, die USA von einem Angriff auf Kuba abzuschrecken; ein solcher hatte sich ja im Jahr zuvor in der kubanischen Schweinebucht tatsächlich ereignet. Dennoch war diese Stationierungsentscheidung sicherheitspolitisch ein fundamentaler Fehler, der beinahe zum nuklearen Inferno geführt hätte. Denn sie missachtete fundamentale Sicherheitsinteressen der USA.
Bei der NATO-Osterweiterung und der zunehmenden Einbeziehung der Ukraine in das westliche Sicherheitssystem haben wir es mit einem in vielfacher Hinsicht vergleichbaren Vorgang zu tun. Die bisherigen Beitrittsländer und die Ukraine können zwar auf ihre souveränen Rechte verweisen, ihre Sicherheitspartner selbst zu wählen. Das ändert aber nichts daran, dass eine allein darauf gestützte Sicherheitspolitik die Sicherheitsinteressen des potenziellen Gegners nicht ins Kalkül zieht, ja fundamental missachtet. Das muss in eine sicherheitspolitische Sackgasse führen, in der alle Beteiligten nur verlieren können.
Der frühere US-Botschafter in Moskau, Jack Matlock, hat dieser Tage in einem Interview der TAZ30 auf die Frage „Wie würden die USA reagieren, wenn sich vor ihrer Türe ein vergleichbares Szenario entfaltete?“ geantwortet:
„Wenn China anfangen würde, eine Militärallianz mit Kanada und Mexiko zu organisieren, würden die USA das nicht tolerieren. Wir würden uns auch nicht auf abstrakte Prinzipien von internationalem Recht beschränken lassen. Wir würden das verhindern. Mit jedem Mittel, das wir haben. Jedes Land, das die Macht dazu hat, würde das tun.“
Um es nochmals herauszustellen: In der heutigen Zeit kann Sicherheit nicht mehr einseitig erlangt werden. Denn wir leben in einer Welt, deren ökonomische, politische, kulturelle und vor allem militärische Strukturen im zunehmenden Maße voneinander abhängig sind. Die Sicherheit der eigenen Nation lässt sich nicht auf Kosten anderer Nationen erkaufen. Im nuklearen Zeitalter der gegenseitig gesicherten Zerstörung ist Sicherheit nicht mehr vor dem potentiellen Gegner, sondern nur noch mit ihm, d.h. als gemeinsame Sicherheit zu erreichen. Diese fundamentale Erkenntnis der Palme-Kommission knüpft unmittelbar an die Vorstellungen einer „kollektiven Sicherheit“ an, wie sie in Art. 24 Abs. 2 GG ihren Niederschlag gefunden haben.
Das Grundgesetz, insbesondere die in ihm verankerten Elemente seines Friedensgebotes, die UN-Charta und die nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen „Ost“ und „West“ vereinbarte „Charta von Paris“ vom 21.11.1990 bieten dafür eine gute Basis. Sie gilt es zu nutzen. Das erfordert eine Umkehr unserer Sicherheitspolitik. In der „Charta von Paris“ haben die Teilnehmerstaaten einander versprochen:
„Das Zeitalter der Konfrontation und der Teilung Europas ist zu Ende gegangen. Wir erklären, dass sich unsere Beziehungen künftig auf Achtung und Zusammenarbeit gründen werden. ...
Nun, da die Teilung Europas zu Ende geht, werden wir unter uneingeschränkter gegenseitiger Achtung der Entscheidungsfreiheit eine neue Qualität in unseren Sicherheitsbeziehungen anstreben. Sicherheit ist unteilbar, und die Sicherheit jedes Teilnehmerstaates ist untrennbar mit der aller anderen verbunden. Wir verpflichten uns daher, bei der Festigung von Vertrauen und Sicherheit untereinander sowie bei der Förderung der Rüstungskontrolle und Abrüstung zusammenzuarbeiten. ...
Bei all der reichen Vielfalt unserer Nationen sind wir vereint in der Verpflichtung, unsere Zusammenarbeit in allen Bereichen auszubauen. Die Herausforderungen, denen wir uns gegenübersehen, können nur durch gemeinsames Handeln, Zusammenarbeit und Solidarität bewältigt werden.“
IV. Schlussbemerkungen
Recht kann Frieden nicht bewirken, aber es ist für Frieden unverzichtbar.
Helmut Simon,31 der Ende letzten Jahres im hohen Alter von 91 Jahren verstorbene frühere Bundesverfassungsrichterund langjährige Präsident des Deutschen Evangelischen Kir-chentages, hat uns zu seinen Lebzeiten immer wieder mit großer Überzeugungskraft darauf aufmerksam gemacht: In den nunmehr über 65 Jahren seit Inkrafttreten des Grundgesetzes ist es, so Helmut Simon, bisher weithin versäumt worden, das Friedensgebot des Grundgesetzes „ähnlich konkret herauszuarbeiten wie etwa das Sozialstaatsgebot oder das Rechtstaatsgebot.“
Das kann und muss, wie ich zu zeigen versucht habe, auf sehr vielen Feldern geschehen. Ich hoffe, dass ich dazu einige wichtige Hinweise geben konnte. Wie der demokratische Rechtsstaat, so will und muss auch die Friedensstaatlichkeit des GG erkämpft und verteidigt werden. Dazu sind wir alle aufgerufen.
= = = = = = =
Anmerkungen
* Erweiterte schriftliche Fassung des am 31.8.2014 in St. Petri zu Lübeck gehaltenen Vortrags. Das Kuratorium von St. Petri begeht auf Anregung seines Mitglieds PräsLG i.R. Hans-Ernst Böttcher seit 2010 den Tag der Verabschiedung des Grundgesetzes (23. Mai 1949) als Verfassungstag mit einer öffentlichen Vortragsveranstaltung. Es knüpft damit an eine Tradition in der Weimarer Republik an, in der regelmäßig der 11. August als Verfassungstag begangen wurde, sehr gefördert auch von dem aus Lübeck stammenden zeitweiligen Reichsjustizminister Prof. Dr. Gustav Radbruch. Die Vorträge der vergangenen Jahre sind in ihrer Mehrzahl in den SchlHAnz abgedruckt: der Vortrag aus dem Jahre 2010 von BVR Prof. Dr. Brun-Otto Bryde, Wem gehört das Grundgesetz?, in SchlHAnz 2011, S. 77; der Vortrag aus dem Jahre 2012 von BVR‘in Prof. Dr. Lerke Osterloh, Geben und Nehmen im Bundesstaat – Von den Schwierigkeiten einer Neuordnung der Finanzverfassung, in SchlHAnz 2013, S. 224, und der Vortrag aus dem Jahre 2013 von Richter des LVerfG Prof. Dr. Felix Welti, Der soziale Rechtsstaat des Grundgesetzes und die UN-Behindertenrechtskonvention, in SchlHAnz 2014, S. 163. Der Vortrag aus dem Jahre 2011 von Prof. Dr. Joachim Perels, Die Ausschaltung des Justizapparates der NS-Diktatur. Voraussetzung des demokratischen Neubeginns, ist veröffentlicht in der Kritischen Justiz (KJ) 2011, S.434. Die Veranstaltung im Jahre 2014 konnte aus internen Gründen nicht am 23. 5. stattfinden. Sie ist dann thematisch beziehungsreich auf den Vortag des 1. September, an dem 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg begann und der jetzt als Antikriegstag begangen wird, verlegt worden.
** Geb. 1950, Richter am Bundesverwaltungsgericht seit 2001; bis 2009 gehörte er den Wehrdienstsenaten an; gegenwärtig ist er Mitglied im 8. und im 10. Revisionssenat, u.a. zuständig für Wirtschaftsverwaltungsrecht, Vermögensrecht, Finanzdienstleistungsrecht, Kommunalrecht.
1 Gustav Heinemann, Antrittsrede als Bundespräsident, im Wortlaut abgedr. in: Südd. Zeitung v. 2.7.1969, S. 7.
2 Interview mit der „Zeit“ vom 18.10.2001.
3 Der Tagespiegel v. 5.8.2014; https://www.tagesspiegel.de/politik/hans-peterkaul-in-seinem-letzten-interview-wie-sieht-es-mit-der-finanziellen-unterstuetzung-aus/10284196-3.html (Zugriff am 30.8.14).
4 Solche ausdrücklichen Zulassungen im Sinne von Art. 87a Abs. 2 GG sind nur in folgenden Grundgesetz-Bestimmungen enthalten: Art. 87a Abs. 3 und 4, Art. 35 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 GG. Sie betreffen nur Einsätze im Innern.
5 Vgl. dazu u.a. BVerwG, Urt. v. 21.6.2005 – 2 WD 12.04 – NJW 2006, S. 70 (80).
6 Quelle: https://www.dradio.de/aktuell/1191138.
7 Vgl. dazu näher Deiseroth, Jenseits des Rechts. Deutschlands Kampfeinsatz am Hindukusch, in: Blätter für dt. u. intern. Politik, Heft 12/2009, S. 45–54; Vorabdruck in: Frankfurter Rundschau vom 26.11.2009.
8 Vgl. dazu Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 12.10.2001, S. 6; Deiseroth, in: Blätter …, aaO, S. 49 f.
9 Vgl. 6. Sitzung des Hauptausschusses vom 19.11.1948, Sten. Prot. S. 71; JöR n.F. 1 (1951), S. 227.
10 Vgl. dazu meine Untersuchungen in: Die Friedenswarte 2000, 101 ff. sowie in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Grundgesetz. 2002, Art. 24 Abs. 2 GG Rn. 194 ff.; ferner in: Wissenschaft und Frieden, 2009, S. 12 ff. jeweils mwN.
11 BVerfGE 90, 286 (347–351).
12 Vgl. dazu näher u.a. Deiseroth in: Becker/Braun/Deiseroth (Hg.), Frieden durch Recht?, 2010, S. 35–61.
13 Vgl. dazu die Beiträge im FORUM „Parlamentsbeteiligung unter Druck“ von Johannes Varwick, General a.D. Klaus Naumann, Dieter Deiseroth und Reinhard Mutz in: https://www.sicherheit-und-frieden.nomos.de/fileadmin/suf/doc/Aufsatz_SuF_12_04_Forum.pdf (Zugriff 9.9.2014).
14 Vgl. dazu näher BVerwG, Urt. v. 21.6.2005 – 2 WD 12.04 – NJW 2006, 70 ff. (93 ff.) mwN.
15 Vgl. dazu u.a. unter Berufung auf die Berichterstattung in der „New York Times“ Karin Leukefeld in: ND v. 12.9.2014 S. 2 mwN; Kirkpatrick in: „The New York Times (International Weekly)“ v. 12.9.2014, S. 1 u. 4.
16 So u.a. auch Papier in: Die Welt v. 8.9.2014, S. 4.
17 Vgl. zur völkerrechtlichen Qualifizierung von Waffenlieferungen an militärische Konfliktparteien u.a. Internationaler Gerichtshof (IGH), Urteil v. 27.6.1986 im Nicaragua-Fall, in: https://web.archive.org/web/20070309185118/https://www.icj-cij.org/icjwww/icases/inus/inus_ijudgment/inus_ijudgment_19860627.pdf (Zugriff 16.9.2014).
18 Dass dieser Luftkrieg der NATO-Staaten gegen Jugoslawien gegen die UN-Charta verstieß, hat Schröder zwischenzeitlich öffentlich eingeräumt, vgl. www.ksta.de/politik/-ukraine-schroeder-vergleicht-krim-mit-kosovo,15187246,26521934.html (Zugriff am 10.9.2014); der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt fasste seine Kritik bereits vor Jahren in die Worte: „Gegängelt von den USA haben wir das internationale Recht und die Charta der Vereinten Nationen missachtet.“
19 Vgl. dazu Urt. des BVerwG v. 21.6.2005 – BVerwG 2 WD 12.04 –, in: NJW 2006, 77 ff. (vor allem Abschn. 4.1.4.1.1).
20 Vgl. Parl. Versammlung des Europarates und Berichte seines Rapporteurs Dick Marti von 2006 und 2006, in: https://assembly.coe.int/ASP/Press/StopPressView.asp?ID=1924 (10.9.2013).
21 Vgl. u.a. https://www.spiegel.de/politik/ausland/tod-von-terrorgefangenen-us-justiz-ermittelt-gegen-cia-agenten-a-771694.html.
22 Vgl. NDR-Panorama v. 30.5.2013 – https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2013/ramstein109.html und SZ v. 30.5.2013.
23 Vgl. https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2012_S01_rdf_slr.pdf.
24 Vgl. dazu u.a. Nassauer, in: https://www.bits.de/public/researchreport/rr00-2.htm (Zugriff 8.9.2014); Deiseroth, Atomwaffenverzicht der Bundesrepublik – Reichweite und Grenzen der Kontrollsysteme,in: AVR 28 (1990), 113–144.
25 Vgl. dazu Deiseroth, Innerstaatliche Gerichte und Völkerrecht, in: Busch/Roggan (Hg.), Das Recht in guter Verfassung? Festschrift für Martin Kutscha, (2013), S. 25–40.
26 Common Security: A Blueprint for Survival, 1982; Egon Bahr/Dieter S. Lutz (Hg.), Gemeinsame Sicherheit, 3 Bände, Baden-Baden, 1986 und 1987.
27 Vgl. dazu die Nachweise bei Deiseroth, in: Frieden durch Recht?, aaO, S 54.
28 Vgl. Gorbatschow, in DIE WELT vom 12.März 1999, S. 6; auch der frühere außenpolitische Berater Gorbatschows, Tschernjajew, hat öffentlich darauf hingewiesen, dass Gorbatschow mehrmals mündlich zugesagt worden sei, dass es nicht zu einer Osterweiterung der NATO kommen werde (zitiert in FAZ vom 8.5.1995); vgl. ferner das Interview Gorbatschows mit der Bild-Zeitung vom 2.4.2009: „Gorbatschow: Kohl, US-Außenminister James Baker und andere sicherten mir zu, dass die Nato sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen würde. Daran haben sich die Amerikaner nicht gehalten, und den Deutschen war es gleichgültig. Vielleicht haben sie sich sogar die Hände gerieben, wie toll man die Russen über den Tisch gezogen hat. Was hat es gebracht? Nur, dass die Russen westlichen Versprechungen nun nicht mehr trauen.“
29 Ab 2015 soll jetzt offenbar Rumänien Teile des US-amerikanischen Raketenschutzschilds beherbergen. Dies hat am 4.2.2009 der rumänische Landesverteidigungsrat auf Einladung des US-Präsidenten Barack Obama beschlossen. Obwohl die geplanten terrestrischen Komponenten laut Staatspräsident Traian Basescu ausdrücklich „nicht gegen Russland gerichtet sind“, sondern im Rahmen der Nato-Partnerschaft als Abwehranlage gegen den Mittleren Osten, vor allem gegen den Iran, fungieren sollen, stößt der Plan auf deutliche Kritik in Russland.
30 TAZ v. 9.9.2014, in: https://www.taz.de/Ex-US-Botschafter-ueber-Ukraine-Krise/!145581/ (Zugriff am 12.9.2014).
31 Helmut Simon, Frankfurter Rundschau v. 6.1.2004.
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Quelle: Schleswig-Holsteinische Anzeigen, Justizministerialblatt, Gottorfstraße 2, 24837 Schleswig, Telefon: + 49 4621 86-1279, SchlHA 11/2014 , S. 423-432, https://www.ialana.de/files/pdf/arbeitsfelder/auslandseins%C3%A4tze%20bw%20und%20nato/rechtl%20rahmen/Das_Friedensgebot_des_GG_-_DD_in_Lbeck.pdf