Der Kriegsdienst der Militärseelsorge" (2010)
von Matthias Engelke, Vorsitzender des Internationalen Versöhnungsbundes, Deutscher Zweig.
Deutsche SoldatInnen haben unabhängig von ihrem Stationierungsort das Recht auf Ausübung ihrer Religion und demgemäß auf Seelsorge. Entsprechend sorgt das Bundesministerium für Verteidigung dafür, dass die SoldatInnen vor Ort von Militärseelsorgern betreut werden können. Welche Rolle spielen die Militärpfarrer angesichts der steigenden Zahl von (Kampf-)Einsätzen der Bundeswehr im Ausland? Dieser Frage geht Matthias Engelke nach. Gegenwärtig unterhält die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) im In- und Ausland 101 Dienststellen, in der Regel jeweils mit einem Militärpfarrer bzw. einer Militärpfarrerin und einem Pfarrhelfer als Büroleiter; die Katholische Kirche beschäftigt in 101 Dienststellen im Inund Ausland insgesamt 65 haupt- und 27 nebenamtliche Militärpfarrer sowie zusätzlich 25 Pastoralreferenten und 87 Pfarrhelfer.
Jeder Militärpfarrer bekommt von der Bundeswehr ein eigenes Büro und einen Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Die Kosten für die Militärseelsorge trägt der Staat; im Jahre 1998 waren dies allein für die evangelische Militärseelsorge knapp 68 Millionen DM. (Werkner 2001, S.247) Das sind staatliche Zuschüsse für die Kirche, da diese während der Abordnung der Pfarrer zum Militär die Gehälter einspart. Pfarrer, die in die Verwaltungshierarchie der evangelischen oder katholischen Militärseelsorge überwechseln, werden Militärdekane – das sind Bundesbeamte.
Evangelische und katholische Militärbischöfe sind so genannte »geistliche Leiter« des Kirchenamts für die Bundeswehr bzw. des Militärbischofsamts. Das für die evangelischen Militärseelsorger zuständige Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr ist trotz dieser Bezeichnung kein Amt der Kirche, sondern untersteht dem Verteidigungsministerium; Leiter dieser Ämter tragen den Titel Militärgeneraldekan. Das katholische Militärbischofsamt hat auf Grund des Konkordats von 1933 mit der nationalsozialistischen Reichsregierung einen eigenen Rechtsstatus.
Soldaten zahlen Steuern – das war nicht schon immer so. Damit zahlen auch die Soldaten, die Kirchenmitglied sind, Kirchensteuern. Ein Teil dieser Kirchensteuern steht der Arbeit der Militärseelsorge in Form des Sonderhaushaltes zur Verfügung. Auch auf diesem Wege findet also eine versteckte Subventionierung der Kirche statt. Den Militärpfarrern wird im Militärseelsorgevertrag von 1957 zugesichert, dass sie in der Verkündigung und Seelsorge „im Rahmen der kirchlichen Ordnung selbständig“ sind (MSV Artikel 4). Sie tragen kein Rangabzeichen und unterstehen nicht der militärischen Einheit, in der sie Dienst tun. Allerdings werden sie dennoch nach den Besoldungsrichtlinien für Offiziere mindestens im Rang eines Oberstleutnant alimentiert und von den Soldaten innerhalb der Hierarchie auch so wahrgenommen.
Von den Militärpfarrern wird erwartet, dass sie Lebenskundlichen-Unterricht erteilen, das ist Ethikunterricht für Soldaten. Teilnahme ist für Soldaten Pflicht; wollen diese unter Berufung auf die religiöse Freiheit (Grundgesetz Artikel 4, Absatz 1) nicht teilnehmen, muss der jeweilige Vorgesetzte eine Ersatzaufgabe (Besinnungsaufsatz o.ä.) stellen. Die Seelsorge steht Christen wie Nicht-Christen offen. Konfessionsunterschiede spielen außer bei der Ausgestaltung der Gottesdienste kaum noch eine Rolle. Kriegsgeräte wie Panzer oder Drohnen werden schon lange nicht mehr »getauft«.
Bei seelisch-psychischen Belastungen können sich die Soldaten an einen Psychologen oder einen Seelsorger wenden. Der Psychologe untersteht der militärischen Hierarchie. Nicht selten – so die eigene Erfahrung – werden Soldaten von ihrem Vorgesetzten zum Pfarrer geschickt, mit der Bemerkung „kümmern Sie sich um ihn, wir wissen nicht weiter“. Anfang dieses Jahres wurde, nach dem Bericht eines Kollegen im Einsatz in Afghanistan, ein Soldat zu ihm geschickt, der einen Afghanen, in der irrtümlichen Annahme, er würde eine russische Panzerbüchse auf ihn richten, erschossen hatte. So tragen Seelsorger dazu bei, die Armee einsatzbereit zu halten. In welchem Kontext gestalten Militärseelsorger – unabhängig von ihrer persönlichen Interpretation dieses Dienstes – ihre Aufgabe? Gibt es übergeordnete religiöse Bezüge?
Die Religionssoziologie beschreibt Religion als ein gegenüber ihrer Umwelt autonomes System, das aber in einem fortwährenden Prozess von Wechselwirkungen mit ihr verbunden bleibt und geformt wird. (Brockhaus 2002) Religion „wird getragen von den religiösen Menschen und gewinnt erst durch deren Glauben (geprägt durch Lehre und Tradition), Verhalten (Kult, Ethik) und religiöse Vergesellschaftung (Gemeinschaft, Hierarchie, Organisation) Gestalt.“ (ebd.) Nach dem religionsphänomenologischen Ansatz zeichnet Religion die Beziehung zu einem wie auch immer genannten »Ganz Anderem«, das deutlich von der Alltagswelt geschieden ist. Besondere Räume, herausgehobene Zeiten und Ereignisse, z.B. Feste, gehören ebenso dazu wie »heilige Worte« in »heiligen Schriften« und »heilige Menschen« als "(religiöse) Spezialisten". In Kult und Ritus werden »heilige Handlungen« vollzogen, in denen das »Ganz Andere« als präsent vorgestellt wird. Bestehen Übereinstimmungen zwischen den Formmerkmalen von Militär und Religion? Wenn ja, ist Militär als eine Religion zu verstehen? Welches »Ganz Andere« wird dort als präsent erachtet?
Militär als Religion?
Militär zeigt sich in mehrfacher Hinsicht als ein autonomes System, das sich räumlich und zeitlich von der Zivilgesellschaft unterscheidet sowie durch besondere Riten, Feste, Gewohnheiten, eine eigene Sprache und Spezialisten auszeichnet. Eine deutliche Trennung von »innen« und »außen« markiert bereits der Stacheldraht um jede militärische Einrichtung. Hinweisschilder machen auf den militärischen Sicherheitsbereich aufmerksam. Nur mit besonderen Formalitäten ist es dem Nicht-Soldaten erlaubt, militärisches Gelände zu betreten. Der Zeit- und Berufssoldat vollzieht in einem eigenen Ritual den Übertritt vom Bürger zum Soldaten, der nach der gegenwärtigen bundesrepublikanischen Ideologie als »Bürger in Uniform« gilt. In diesem Ritual schwört der angehende Soldat vor der Fahne der Bundesrepublik Deutschland gegenüber einem höherrangigem Soldaten einen Eid. Er verlässt den Bereich der vom Tötungstabu geprägten Zivilgesellschaft und tritt ein in den Bereich des Militärs, das die Verletzung des Tötungstabus betreibt unter der Bereitschaft, dabei selber verletzt oder gar getötet zu werden. Eine eigene Sprache mit besonderen Begriffen, meistens gespickt mit einer Fülle von Abkürzungen, sorgt dafür, dass der Nicht-Soldat sich als Außenstehender wahrnimmt. Gegner werden nicht getötet, geschweige denn ermordet, sondern »ausgeschaltet« oder »kampfunfähig gemacht«. Seit einiger Zeit werden wir wieder daran gewöhnt, dass Soldaten im Krieg nicht ms Leben kommen, sondern »fallen«. In einer ganzen Schriftenreihe werden die »heiligen Shriften« gesammelt, die dem normalen Bürger nicht zu Gesicht gelangen – die ZdVs, Zentrale
Dienstvorschriften. Hier ist niedergelegt, was das Leben und Sterben des Soldaten betrifft, ud zwar mit einem lückenlosen, alles umfassenden Gültigkeitsanspruch. Sinnfälliges ennzeichen für diese Sonderwelt ist das gemeinsame Marschieren, das als solches allerdings
nicht an das Militär gebunden ist: Der Einzelne geht in einer als »Einheit« bezeichneten Formation
auf, die auf Befehl möglichst gleichzeitig gleichförmige Bewegungen ausführt.
Zu den besonderen Ereignissen gehören Gelöbnisfeiern, Gedenkfeiern der einzelnen Einheiten,
Dienstjubiläen und Verabschiedungen und – seit einiger Zeit auch wieder – Gedenkfei-
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ern für die im Krieg getöteten Kameraden. Eine eigene Hierarchie mit eigenen Verhaltensweisen
und eigenem Ethos sorgt dafür, dass auch im Alltag ein Unterschied wahrgenommen
werden kann zwischen der soldatischen und bürgerlichen Welt: Begegnen sich Oberst und
Gefreiter in (Ausgeh-) Uniform im Theater, hat dieser jenen auf eine festgelegte und eingeübte
Weise zu grüßen.
Für jedes formale Religionsmerkmal findet sich also ein Pendant innerhalb des Militärs. Das
mögen die notwendigen Bedingungen dafür sein, um eine soziologisch abgrenzbare Form
des Zusammenlebens als »Religion« zu bezeichnen. Aber erfüllt das Militär auch die hinreichenden
Bedingungen dafür? Gibt es auch im Militär eine Vorstellung vom »Ganz Anderen«,
zu dem eine eigene Beziehung hergestellt wird, die nur und ausschließlich innerhalb des Militärs
möglich ist? Und verfügt auch das Militär über religiöse Spezialisten, die für die Kommunikation
zu diesem »Ganz Anderen« und für seine Präsenz in Kult und Ritus sorgen?
In Deutschland haben wir uns an den Terminus »der Soldat als Bürger in Uniform« gewöhnt.
Gemeint ist damit, dass das Militär innerhalb der Gesellschaft keinen Staat im Staate bildet,
sondern die Grundrechte eines jeden Bürgers – wenn auch eingeschränkt – auch für diejenigen
gelten, die als Soldaten ihren Dienst tun. Dabei wurde über Jahrzehnte ausgeblendet, auf
welches praktische Ziel hin ein Soldat ausgebildet wird: Die Ausbildung eines Soldaten – in
all ihren Facetten – zielt darauf ab, diesen selbst oder andere in die Lage zu versetzen, tötende
Gewalt anzuwenden. Der gesamte gewaltige Verwaltungsapparat und Maschinenpark hat
diesen einen Zweck: Soldaten in die Lage zu versetzen, mit Hilfe der erlernten Techniken, Regeln
und Verhaltensweisen das Tötungstabu gezielt zu verletzen. Damit diese Verletzung
nicht ungeschützt auf die Gesellschaft zurückschlägt, erschafft sie die Sonderexistenz Militär:
Der Soldat, durch dessen Befehl am 4. September 2009 bei Kundus bis zu 140 Menschen getötet
wurden, muss sich für keinen dieser Toten vor irgendeinem deutschen Gericht verantworten.
Schon bei einer einzigen fahrlässigen Tötung drohte demselben Menschen außerhalb
eines militärisch-kriegerischen Einsatzes eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren.
Wer oder was sich aus diesem Ziel und Zweck des militärischen Handelns manifestiert, wird
erkennbar, wenn der bei einem Einsatz getöteten eigenen Soldaten in einer besonderen Feier
gedacht wird. Vorausgesetzt, das Militär untersteht dem Primat der Politik und dient als
letztes Mittel einem politisch und gesellschaftlich akzeptierten Zweck, wie wird dies in Trauerfeiern
sichtbar?
Einen Anhaltspunkt gibt die Trauerfeier am Ostersonntag 2010 in Kundus nach dem Tod von
drei deutschen Soldaten am Karfreitag, dem 2. April 2010. Da ist zuallererst der große Abstand
– der große Abstand zwischen dem Rednerpult und den Soldaten, die in drei Formationen
einen freien Platz vor dem Rednerpult aussparen. In der Antike wurde die Würde einer
Person dadurch sichtbar, wie viel Raum sie über sich, etwa in Form von Triumphbögen,
aber auch vor sich in Anspruch nahm. Je größer der Abstand, um so höher die zugemessene
Würde. Hinter dem Rednerpult in Kundus sind vier Personen zu sehen, in ihrer Absonderung
erkennbar als Würdenträger. Abseits, bewacht von einigen Soldaten, die aufgebahrten Särge
der getöteten Soldaten. Wo hält sich der Militärseelsorger der Einheit auf? Steht er bei den
Soldaten oder in der Nähe der Särge? Nein, der Militärseelsorger steht hinter dem Rednerpult,
zwischen dem General der Einheit und dem Minister für Entwicklungszusammenarbeit,
Niebel, der sich zu diesem Zeitpunkt in Afghanistan aufhielt.
In den öffentlichen Reden wird der Tod der Soldaten zu dem vorgeblichen politischen Zweck
des Einsatzes in Beziehung gesetzt. Sie hätten, um dieses Ziel zu erreichen, tapfer ihr Leben
eingesetzt; ihr Tod dürfe nicht sinnlos sein. Ihre Kameraden sind dem Leben und Tod dieser
Soldaten verpflichtet, indem sie den Einsatz unverändert fortsetzen.1
Dabei fallen zwei Dinge auf:
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Der Tod der Soldaten im Auslandseinsatz generiert Sinn
Wie ist das möglich? Gemäß der politischen Ideologie haben Soldaten dafür zu sorgen, dass
diejenigen notfalls zu sterben haben, die sich der politischen Zielsetzung (uneinsichtig/gewalttätig)
widersetzen (Rebellen, Aufständische, Terroristen). Der Tod der eigenen Soldaten
kann nicht das Ziel solcher Einsätze sein, er kann darum eigentlich auch nicht sinnvoll sein
und schon gar nicht den Anlass bilden, Sinn zu stiften. So ist es konsequent, wenn der gegenwärtige
Verteidigungsminister zu Guttenberg in einer dieser Trauerfeiern bei den Angehörigen
der getöteten Soldaten um Verzeihung bat (am 24.4.2010). Der Tod der Soldaten
wird jedoch ausdrücklich damit in Verbindung gebracht, dass nun für die Soldaten ein besonderer
Sinn bestünde – nämlich weiter zu machen wie bisher.
Entsteht also durch den Tod der Soldaten ein besonderer Sinn? War ihr Leben vorher sinnlos?
Indem Mitglieder der eigenen Einheit durch kriegerische Auseinandersetzungen ums Leben
kommen, entsteht eine neue Unterscheidung: Die zwischen Opfern und Überlebenden.
Dabei fühlen sich Überlebende oft in doppelter Weise moralisch belastet: Einmal fragen sich
Soldaten, warum es diese Kameraden und nicht etwa sie selbst getroffen hat, und sie fühlen
sich mit schuldig am Tod ihrer Mit-Soldaten. Zum anderen sind sie durch den Tod der Kameraden
als Überlebende definiert, sie werden also durch den Tod ihrer zumeist ja Bekannten
neu bestimmt. Die Freude, zu den Überlebenden zu gehören, kann darum mit Schuldgefühlen
einhergehen, sich auf Kosten anderer, ja sogar auf Kosten der Toten, zu freuen.
Wann und wo diese Unterscheidung zwischen Überlebenden und Opfern in Erscheinung tritt,
ist nicht vorhersehbar; sie kann alle Soldaten im Einsatz treffen. Dieser Willkür sind mehr
oder weniger alle Soldaten im Einsatz ausgesetzt. Da sie unausweichlich mit Schuldgefühlen
verbunden ist, bedarf es einer Form, diese in irgendeiner Weise zu bewältigen. Hier kommen
die religiösen Spezialisten zum Zuge, die die Aufgabe haben, die Schuldproblematik zu bewältigen
und an der Grenze zwischen Leben und Tod für die Kommunikation zu sorgen, und
zwar in mehrfacher Weise: für die Kommunikation zwischen den Überlebenden und den Getöteten,
zwischen den Angehörigen der Überlebenden und den Angehörigen der Getöteten,
für die Kommunikation zwischen denen, die vor der Aufgabe stehen, dem Willkürereignis
einen Sinn abzugewinnen, und denen, die dabei ums Leben kamen. Um diese Kommunikation
konstituieren zu können, müssen die Getöteten in irgendeiner Weise repräsentiert werden.
Ohne Gedenksteine, Grabplatten, Soldatenkreuze o.ä. würde die Differenz zwischen Opfer
und Überlebenden hinfällig und es könnte weder die Kommunikation noch die Sinnstiftung
funktionieren.
Diese Sinnstiftung ist mit der Bezeichnung »Opfer« verbunden. Innerhalb des jüdisch-christlich-
islamischen Kontextes verschiebt die Opferbezeichnung die Schuldproblematik von einer
individuellen, im Grunde nicht zu erfassenden Problematik hin zu einem übergeordneten Geschehen.
Indem der einzelne Soldat den erteilten Auftrag trotz des Todes seiner Kameraden
fortführt, gesteht er dem Tod dieser Mitsoldaten Sinn und sich selbst eine Entlastung seiner
Schuld zu. Die – im wahrsten Sinne des Wortes – Betroffenen sind es also selbst, die das
schaffen, wofür sie da sind: Ihr Glaube an den Sinn des Einsatzes ermöglicht den Einsatz.
Die Antike hatte für diese im militärischen Kampf zu Tage tretende Willkür eine Bezeichnung.
Ihr war es möglich, diesen unfassbaren Grenzbereich zu benennen und ihm darum
auch in der Öffentlichkeit zu besonderen Zeiten mit regelmäßigen Festen und speziellen Kulten
und Ritualen auf speziell dafür vorgehaltenen Plätzen Raum zu geben: Der Name für diese
Willkür hieß Mars oder bei den Griechen Ares. Es ist gewiss kein Zufall, dass für diesen
Zweck der Planet Mars ausgewählt wurde bzw. dass dieser Planet als Kriegsgott bezeichnet
wird. Nach dem Planeten Merkur weicht Mars am meisten von der Kreisbahn ab. Sein Verhalten
erscheint nicht nur auf Grund seiner wechselhaften Helligkeit sondern auch, da an bestimmten
Tagen in seiner Bahn rückläufig, für den Laien extrem willkürlich. Ares ist in der
Mythologie Sohn von Zeus und dessen Schwester Hera; sie galt als besonders eifer- und
rachsüchtig. Die Erscheinung des Mars in der Willkür des Krieges ist der Zweck des Krieges –
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der Krieg dient der Manifestation des Mars. Militär ist die gesellschaftlich legitimierte Erscheinungsform
des mit dem Namen Mars bezeichneten erfahrbaren Numinosum, dem
»Ganz Anderen«.
Die Abwesenheit der Anderen
Bei allen Trauerfeiern für die getöteten Soldaten wird stets ein nicht zu übersehender Aspekt
vermieden: Nie ist von den – bei solchen kriegerischen Einsätzen unvermeidlich – verletzten
und/oder getöteten Gegnern die Rede, von den Opfern der anderen Seite. Eine gemeinsame
Trauerfeier ist geradezu unvorstellbar.
Dadurch wird augenfällig, dass die Militärseelsorger nicht im Dienste einer Institution stehen,
die unabhängig vom Militär andere Zusammenhänge und Bezüge schafft und lebt, wie es
etwa die weltweite Kirche beansprucht, sondern sie agieren innerhalb der Grenzen und Regeln
des jeweiligen Militärs. Pfarrer, die in der Bundeswehr ihren Dienst leisten, leisten – wie
Zeit- und Berufssoldaten – gegenüber ihrem Vorgesetzten einen Eid und überschreiten damit
die Grenze zwischen der Zivilgesellschaft und dem Militär. Sie werden vom Staat bezahlt und
unterstehen als Beamte den Weisungen des Verteidigungsministeriums vermittelt durch das
Kirchenamt für die Bundeswehr bzw. das Militärbischofsamt. Militärseelsorgern wird die Freiheit
der Verkündigung und der Seelsorge gewährleistet, im Einsatz allerdings innerhalb der
vom Dienst habenden Kommandeur gesetzten Grenzen. Feindesliebe, die Jesus gemäß zum
Weg derer gehört, die ihm nachfolgen, falls sie über Worte und Gebete hinaus womöglich
auch zu den Feinden geht, ist ausgeschlossen. Christlicher Glaube hat sich hier dem Kriegsgott
Mars unterworfen und von ihm entmündigen lassen.
Da die Menschen in der Bundeswehr einen Anspruch auf eine unabhängige Seelsorge haben,
hat der deutsche Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes angefangen, eine solche in
Deutschland aufzubauen. Nähere Informationen dazu finden Sie unter www.versoehnungsbund.
de.
Literatur
Werkner, Ines-Jacqueline (2001): Soldatenseelsorge versus Militärseelsorge. Evangelische
Pfarrer in der Bundeswehr, Baden-Baden, S.247.
Brockhaus Enzyklopädie (2002): Artikel zu Religion.
Militärseelsorge im Internet
Militärseelsorge in der Bundeswehr https://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/ soziales/milseelsorge?
yw_contentURL=/C1256EF4002AED30/N264HQC8277 MMISDE/content.jsp
Militärseelsorge https://www.militaerseelsorge.bundeswehr.de
Katholische Militärseelsorge – mit einem Lexikon der Ethik! https://www.katholische-militaerseelsorge.
de/
Institut für Theologie und Frieden (in Trägerschaft der Katholischen Militärseelsorge)
https://www.ithf.de/
Graphik der Organisationsstruktur der evang. Militärseelsorge: https://www.militaerseelsorge.
bundeswehr.de/portal/a/eka/mediabild?
yw_contentURL=/02DB090200000001/W26L4NFT593INFODE/content.jsp
Dr. Matthias-W Engelke: Der Kriegsdienst der MilitärseelsorgeSeite 5 von 6
Anmerkung
1) „Es ist auch ganz klar, dass die Opfer, die gebracht werden, nicht umsonst sein dürfen.“ Brigadegeneral
Frank Leidenberger, ISAF-Kommandeur für Nordafghanistan, Tagesschau vom
03.04.2010; https://www.tagesschau.de/ausland/afghanistan1740.html, eingesehen am
10.06.2010. „Ihr Tod darf aber nicht vergebens sein. Wir geben nicht klein bei. Wir werden wetier
kämpfen. Und wir werden gewinnen.“ Frank Leidenberger, Tagesthemen vom 04.04.2010;
https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/tt2192.html, eingesehen am 11.6.2010.
Dr. Matthias-W. Engelke, evangelischer Pfarrer in der Kirchengemeinde Lobberich in Nettetal/
Niederrhein, ist Vorsitzender des Internationalen Versöhnungsbundes/deutscher Zweig.
Von 1997 bis 2001 war er Militärpfarrer in Idar-Oberstein (Artillerieschule) und Birkenfeld
(2. Luftwaffendivision).
Dieser Beitrag ist entnommen dem „Dossier Nr. 65 von Wissenschaft und Frieden 3-2010,
Bonn“.