Dr. Hans Häselbarth, Kommunität Christusbruderschaft Selbitz, April 2015
Umdenken in der Friedensfrage
Wir alle sind betroffen von den Nachrichten über die zunehmenden kriegerischen Konflikte und von dem unendlichen Leiden in den betroffenen Ländern. Wir können uns damit nicht abfinden. Denn unser Herr Jesus hat uns eine klare Alternative zu Gewalt, Rüstung und Krieg aufgezeigt. Seine Lehre vom Frieden in der Bergpredigt ist ja nicht nur eine mögliche Handlungsanweisung unter anderen, sondern sie ist eine Glaubensgrundlage, die ins Herz des Evangeliums führt – so zentral wie „Reich Gottes“, „Erlösung“ oder „Gerechtigkeit“. Jesus hat sie mit seiner Lebenshingabe bestätigt. Er verkündete den Frieden Gottes und wurde selbst unser Friede (Eph. 2:14) - bis hin zur letzten Konsequenz am Kreuz. Einem, der das noch nicht verstanden hatte, sagte er bei seiner Gefangennahme: „Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen. Oder meinst du, ich könnte nicht meinen Vater bitten, dass er mir zuschickte alsbald mehr als 12 Legionen Engel? Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, dass es muss also geschehen?“ (Matth. 26:52-54).
Unser Ziel muss sein, diese biblische Erkenntnis in unser Leben aufzunehmen und einzuüben. Wo Gewalt geschieht, ist Christen dabei weder Unterwürfigkeit noch Gegengewalt geboten. Jesus zeigt uns den dritten Weg auf. Pazifist, d.h. Gottes Friedenszeuge zu werden, ist vielmehr ein gewaltfreies, aktives Handeln anderer Art. Hier muss auch die Kirche als ganze immer wieder Gehorsam lernen. Solche Art der Neuorientierung sollte ein zentrales Thema des Reformationsgedenkens vor dem Jahr 2017 werden. Hier dürfen auch Kommunitäten, geistliche Gemeinschaften und die Bewegung „Miteinander für Europa“ Vordenker und Vorbereiter für die Kirche sein, wie es der „Versöhnungsbund“, „Church and Peace“, die Bruderhöfe und viele Initiativgruppen schon lang sind.
Wollten wir nicht immer die Kirche des Wortes sein und die Schrift allein als Norm unseres Glaubens und Lebens ernst nehmen? Hier ist sie endlich wörtlich zu nehmen und hier sollen wir zu ihr zurückkehren. Denn hier spricht wirklich ER! Dann müsste auch unsere lutherische Kirche endlich eine Friedenskirche werden! Mit solcher eindeutigen Nachfolge könnte sie glaubwürdig werden. Das wussten die Christen im ersten Jahrhundert und das war uns auch nach 1945 in Deutschland neu bewusst geworden. Auch heute sollten wir sagen: Kriege und ihre Vorbereitung sind nicht naturgegeben, und auch vor Gottes Endzeit nicht hinzunehmen. Sie müssen heute geächtet werden, wie einst Schritt für Schritt, und schließlich erfolgreich, in Zeiten der Hexenverfolgung und der Sklaverei.
Warum aber befürworten viele Fromme und manche Kirchenleitungen auch heute noch den Einsatz von militärischer Gewalt als ein letztes Mittel der Politik? Ja, Polizeischutz muss es geben – sicher auch international zum Schutz von bedrohten Minderheiten. Da kommt es auf die Art der Mittel an, und Polizei ist vom Militär zu unterscheiden. Vor allem muss der Skandal der neuen Rüstungsspirale gestoppt werden. Die immensen Milliardenausgaben müssen endlich einer nachhaltigen Entwicklung zugute kommen. Das ist auch der Weg, um die Flüchtlingsströme zu beenden. Dem System militärischer Gewaltandrohung und –ausübung ist ein Sicherheitskonzept auf der Grundlage ziviler Konfliktbearbeitung und Entwicklungshilfe entgegen zu stellen. Nicht die NATO, sondern die UNO und die OSZE sind dafür geeignet. Beispiele von gelungenen gewaltlosen Friedensdiensten gibt es viele, nicht nur zur Zeit der Wende in unserem Land, oder in Südafrika, sondern in vielen anderen Konflikten der Erde. Darüber gibt es heute gute Berichte, die leider noch zu wenig bekannt sind. Sie haben mehr bewirkt als die blutigen, letztlich erfolglosen Militäreinsätze der letzten Jahre.
Uns geht es darum, dass wir Christen zuerst lernen umzudenken, und dass unsere Leiter und Bischöfe zuerst ihre Kirchen und Gemeinden lehren, an dieser Stelle nach dem Evangelium zu leben und wir in der Friedensfrage eines Sinnes werden. Dann hätten wir die Vollmacht, auch den Politikern im Land zu raten. Seit den Zeiten des Kaisers Konstantin waren wir Jahrhunderte lang als Kirche zu sehr mit dem Staat und den Mächtigen verflochten. Zwar bleibt es die Aufgabe, „der Stadt Bestes zu suchen“, doch der Staat wird immer seine eigenen Bündnis- und Sicherheitsinteressen verfolgen. Als eine Minderheit in einem säkularen Staat heute können wir nur begrenzt auf die Politik einwirken. Es geht also in der Friedensfrage um eine deutliche „Unterscheidung der beiden Reiche“. Die Kirche hat vor allem ihre Botschaft vom Frieden auszurichten, auch wenn sie dafür von vielen als idealistisch, naiv und weltfremd angesehen wird.
Schließlich geht es, angesichts des Weltleidens, auch um die eigene Ohnmacht und Hilflosigkeit, wenn wir über weite Strecken nichts tun können. Uns als „Machern“ fällt das schwer. Es ist jedoch ein Mitleiden unter höchster Anteilnahme. Das darf bewusst bejaht werden. Dazu gehört auch das tägliche Gebet mit der Fürbitte für die Gewaltopfer. Das ist ebenfalls ein ganz aktiver Einsatz und keinesfalls Weltflucht. Wir bringen damit die Leidenden, ja auch die Täter und zugleich unser Angewiesensein zu Gott, wenn wir beten: „Verleih uns Frieden gnädiglich…“
Selbitz, im April 2015, Hans Häselbarth
Zur Vertiefung des Friedensthemas: Walter Wink, Verwandlung der Mächte. Eine Theologie der Gewaltfreiheit (Hg. Thomas Nauerth, Georg Steins). Verlag F. Pustet 2014, 176 S. Euro 19.95.
Ebenfalls dazu Hans Häselbarth: "Gewaltlos Frieden Machen. Impulse für eine Neuorientierung der Kirche" Selbitz 2013, 98 S.